Ist ein unbeplanter Innenbereich in offener Bauweise bebaut, weil dort nur Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen i.S.v. § 22 Abs. 2 BauNVO den maßgeblichen Rahmen bilden, so fügt sich ein grenzständiges Vorhaben i.S.v. § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich nicht nach der Bauweise ein, das unter Beseitigung eines bestehenden Doppelhauses grenzständig errichtet wird, ohne mit dem verbleibenden Gebäudeteil ein Doppelhaus zu bilden. Ein solches Vorhaben verstößt gegenüber dem Eigentümer der bisher bestehenden Doppelhaushälfte grundsätzlich gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 05.12.2014, Aktenzeichen 4 C 5.12
Die Bekanntmachung einer erneuten Auslegung nach § 4a Abs. 3 BauGB kann sich wenn überhaupt allenfalls dann auf die Angabe derjenigen Arten verfügbarer Umweltinformationen, die im erneuten Auslegungsverfahren neu hinzugekommen sind, beschränken, wenn die Bekanntmachung(en) der vorausgegangenen Auslegung(en) die bis dahin verfügbaren Arten von Umweltinformationen vollständig angegeben haben. Heilbare Fehler im Normsetzungsprozess rechtfertigen den Erlass einer Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO nur dann nicht, wenn zu erwarten ist, dass der Normgeber diese bis zur Hauptsacheentscheidung geheilt haben wird, und wenn der Antragsteller die verletzte Vorschrift nicht als eigenes Recht rügen kann. Das ist bei Fehlern der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht der Fall. Eine wöchentliche Auslegungsdauer von nur 6 Stunden kann in einer sehr kleinen Gemeinde ausnahmsweise noch ausreichend sein, wenn zusätzliche Einsichtnahmetermine nach Absprache flexibel eingeräumt werden.
Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.02.2014, Aktenzeichen 1 MN 245/13
Für den Fall, dass eine Festsetzung eines Bebauungsplans auf eine DIN-Norm verweist und sich erst hieraus die Voraussetzungen über die planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben ergeben, ist „sicherzustellen“, dass die Planbetroffenen vom Inhalt der DIN-Norm verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können. Ausnahmen hiervon sind aus Gründen der Rechtssicherheit auch dann nicht anzuerkennen, wenn sich der vom Bebauungsplan betroffene Personenkreis signifikant anders zusammensetzt.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.12.2013, Aktenzeichen 4 BN 48.13
Entfällt nach § 38 Satz 1 BauGB das Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens bei der (gebundenen) Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine öffentlich zugängliche Abfallbeseitigungsanlage, so hat die Genehmigungsbehörde die gemeindlichen städtebaulichen Belange, deren Umfang durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG begrenzt wird, abwägend zu berücksichtigen. Zu diesen Belangen kann auch der Ausschluss der Lagerung von gefährlichen Abfällen in einem festgesetzten Gewerbegebiet mit textlichen Festsetzungen nach § 31 Abs. 21 BauGB zur Sicherung der kommunalen Abwasserentsorgung gehören.
Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 04.09.2013, Aktenzeichen 22 AS 13.40052
Eltern müssen sich im Rahmen des Rechtsanspruchs auf Betreuung ihrer unter 3 Jahre alten Kinder unter Umständen mit einer Tagesmutter abfinden. Die Stadt Köln ist daher nicht in jedem Fall verpflichtet, einen Platz in einer Kindertagesstätte (Kita) zur Verfügung zu stellen.
Eltern eines unter drei Jahre alten Kindes könnten zwar grundsätzlich zwischen den gleich geeigneten und gleichwertigen Arten der frühkindlichen Förderung in einer Kindertagesstätte und bei einer Tagesmutter wählen.
Dem Wunsch der Eltern müsse allerdings nicht entsprochen werden, wenn in der gewünschten Betreuungsform kein Platz mehr vorhanden sei. Stehe ein freier Platz nur bei einer Tagesmutter und nicht in der von den Eltern gewünschten Kindertagesstätte zur Verfügung, erfülle der Träger der Jugendhilfe den Rechtsanspruch auf U3-Betreuung mit dem Angebot dieses freien Platzes. Ein Anspruch auf Kapazitätserweiterung bestehe nicht.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.08.2013, Aktenzeichen 12 B 793/13
Eine optisch bedrängende Wirkung einer Windkraftanlage liegt in der Regel nicht vor, wenn der Abstand zwischen dem betroffenen Wohnhaus und der Anlage das Vierfache der Gesamthöhe der Windkraftanlage beträgt. Im zu Grunde liegenden Falle lag das Wohnhaus der Kläger in einer Entfernung von 724 m zur genehmigten Windkraftanlage; der Abstand zwischen Wohnhaus und Anlage betrug damit sogar wenig mehr als das Vierfache der Gesamthöhe der Windkraftanlage von 179,38 m, so dass schon deshalb von einer von der Windkraftanlage allein im Hinblick auf ihre Höhe ausgehenden bedrängenden Wirkung auf das Wohnhaus der Kläger nicht ausgegangen werden konnte. Ebenso war nicht erkennbar, dass von den Drehbewegungen der Rotoren der Windkraftanlage eine optisch bedrängende Wirkung ausginge. Die Klage gegen die Errichtung einer solchen Windkraftanlage wurde folglich abgewiesen; schließlich wurde festgestellt, dass das Grundstück der Kläger durch die streitige Windkraftanlage weder schädlichen Lärmimmissionen noch einer unzumutbaren Belastung wegen Schattenschlags oder Lichtreflexen ausgesetzt werde und auch eine optisch bedrängende Wirkung auszuschließen sei.
Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 23.7.2013, Aktenzeichen 3 K 2914/11
Ein Ausländer, der in Deutschland in einer Patchworkfamilie mit seiner Partnerin und Kindern von teilweise deutscher Staatsangehörigkeit zusammenlebt, kann in einem außergewöhnlichen Härtefall einen Aufenthaltstitel beanspruchen, wenn dies erforderlich ist, um eine Verletzung von Art. 6 GG zu vermeiden. Grundsätzlich müssen jedoch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel vorliegen.
Die Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels muss auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) berücksichtigen. Danach darf die Verweigerung eines Aufenthaltstitels nicht zur Folge haben, dass sich Unionsbürger (wie etwa ein Kind deutscher Staatsangehörigkeit mit ausländischen Eltern) de facto gezwungen sehen, das Gebiet der Union zu verlassen und damit auf die Ausübung ihres Unionsbürgerrechts zu verzichten.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.06.2013, Aktenzeichen 1 C 15.12
Liegen – wie hier nach dem Widerruf der für den Betrieb einer Biogasanlage erteilten Genehmigung – die Voraussetzungen für eine Stilllegung der Anlage vor, soll die Behörde diese anordnen, wenn nicht ein atypischer Fall vorliegt. Ein atypischer Fall kann anzunehmen sein, wenn die (erneute) Genehmigungsfähigkeit der Anlage offensichtlich ist. Dem materiellen Recht sind nicht nur die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Handelt es sich – wie hier, im Fall des Widerrufs – um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt ist grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten verwaltungsbehördlichen Entscheidung abzustellen.
Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.04.2013, Aktenzeichen 12 ME 41/13
Wird ein Planfeststellungsbeschluss geändert oder ergänzt, wird daraus eine einheitliche Planungsentscheidung. Das hat zur Folge, dass sich der Planfeststellungsbeschluss in seiner Ursprungsfassung prozessual erledigt und das Rechtsschutzinteresse für ein gegen ihn gerichtetes Klagebegehren entfällt. Will der Kläger weiterhin Rechtsschutz gegen die Planung erreichen, muss er gegen die Entscheidung in ihrer geänderten Form vorgehen und die Klage entsprechend umstellen. In Planfeststellungsverfahren kann eine vollmachtlose Vertretung im Verwaltungsverfahren auch nach Erlass des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses in analoger Anwendung des § 177 BGB rückwirkend genehmigt werden. Durch eine Änderung oder Ergänzung eines Planfeststellungsbeschlusses wird eine bereits eingetretene Präklusion nur dann durchbrochen, wenn im ergänzenden Verfahren Einwendungsmöglichkeiten wieder neu eröffnet sind, weil über eine Bestätigung der bisherigen Ergebnisse hinaus entscheidungserhebliche neue Sachverhalte eingeführt worden sind oder eine grundlegende Neubewertung stattgefunden hat. Verkehrsprognosen sind lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist. Die artenschutzrechtliche Bestandsaufnahme muss nicht ein lückenloses Arteninventar umfassen. Vorkommen können dabei in „Gilden“ zusammengefasst werden. Darüber hinausgehende Untersuchungen -quasi „ins Blaue hinein“- für das Vorkommen aller europäischen Vogelarten sind nicht erforderlich.
Verbleiben Zweifel, ob Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1, 5 BNatSchG erfüllt sind, kann das Vorhaben unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG vorsorglich durch Ausnahmeerteilungen zugelassen werden.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.01.2013, Aktenzeichen 11 D 70/09.Ak-
Landesrechtliche Ermächtigungsgrundlagen zum Vollzug des Abfallrechts sind unbedenklich, solange sie die bundesrechtliche Regelung der Beseitigungspflicht respektieren. Der Kreis der zur Abfallentsorgung Verpflichteten wird durch Bundesrecht abschließend festgelegt und kann durch landesrechtliche Regelungen nicht erweitert werden.
Ist Anknüpfungspunkt behördlichen Handelns nicht in erster Linie das Gebot der umweltgerechten Entsorgung von Abfällen, sondern geht es um die Bekämpfung konkreter durch die rechtswidrige Ablagerung von Abfällen hervorgerufener Gefahren, so richten sich Maßnahmen und die Verantwortlichkeit (im Sinne einer Störerhaftung) nach dem Ordnungsrecht der Länder.
Im dieser Entscheidung zugrunde liegenden Falle hatte ein Entsorgungsfachbetrieb, der zusätzlich Inhaberin einer Genehmigung zur Vermittlung von Abfallverbringungen für Dritte war seit Ende der 1980-er Jahre Kies abgebaut; die Abbaugenehmigung war mit der Nebenbestimmung versehen, dass die Wiederverfüllung der Kiesgrube - soweit vorhandener Abraum nicht ausreicht - mit „nachweislich reinem Erdaushub“ zu erfolgen hat. Spätere Untersuchungen des abgelagerten Materials hatten ergeben, dass dieses neben geschredderten Siedlungsabfällen mit organischen Substanzen und mineralischen Bauschuttfraktionen auch Schaumstoffe und Plexiglas (in Feinfraktion) enthielt. Wegen einer künftig zu befürchtenden Gefährdung des Grundwassers sei Handlungsbedarf zur Entfernung der abgelagerten Massen gegeben.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.11.2012, Aktenzeichen 7 B 25.12
Bei Eintritt in den Ruhestand hat ein Beamter Anspruch auf eine finanzielle Vergütung, wenn er seinen Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen aus Krankheitsgründen ganz oder zum Teil nicht ausüben konnte. Für etwaige Ansprüche auf zusätzlichen bezahlten Urlaub kann jedoch die nationale Regelung die Zahlung einer finanziellen Vergütung ausschließen.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 03.05.2012, Aktenzeichen C-337/10
Einem promovierten Geschäftsführer, dessen wissenschaftliches Institut Promotionskandidaten an Hochschulprofessoren gegen Zahlung von Honoraren vermittelt hatte, kann nach seiner Verurteilung wegen Bestechung zu Recht der Doktortitel entzogen werden. Der Entzug des Doktortitels ist mithin wegen gravierendem strafrechtlichem Fehlverhalten zulässig.
Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 27.10.2011, Aktenzeichen 6 K 3445/10
Ein Versicherungsvermittler darf die ihm von der jeweiligen Versicherung gewährten Provisionen an Endkunden weitergeben. Eine auf der Grundlage des Versicherungsaufsichtsgesetzes ergangene Rechtsverordnung vom 8. März 1934, die es Versicherern und Versicherungsvermittlern untersagt, Sondervergütungen in irgendeiner Form den Versicherungsnehmern zu gewähren, ist durch das zu allgemein gehaltene Verbot zu unbestimmt.
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24.10.2011, Aktenzeichen 9 K 105/11.F
Ein Fleischprodukt darf nicht als „Schweinebraten“ bezeichnet werden, wenn es durch Zusammenfügung mehrerer Fleischstücke erzeugt wurde. Die Lebensmittelaufsichtsbehörde hat daher ein von einer Berliner Firma produziertes Fleischerzeugnis zu Recht als irreführend beanstandet.
Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 20.10.2011, Aktenzeichen VG 14 K 43.09
Begleitet ein krankgeschriebener Beamter mit Zustimmung seines Dienstherrn seine Familie auf der geplanten Urlaubsreise, schmälert dies seinen Urlaubsanspruch auch dann nicht, wenn die Erkrankung zwischen Urlaubsbewilligung und Urlaubsantritt eintritt.
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 18.10.2011, Aktenzeichen 12 K 5952/10
Eltern haben keinen Anspruch darauf, dass Ethik-Unterricht bereits in der Grundschule angeboten wird. Die Einführung des Ethik-Unterrichts als ordentliches Unterrichtsfach erst ab Klasse 7 der Gymnasien und ab Klasse 8 der Haupt- und Realschulen ist nicht zu beanstanden.
Verwaltungsgericht Freiburg, Urteil vom 21.09.2011, Aktenzeichen: 2 K 638/10.