Fachanwälte Dallhammer und Kellermann in Bensheim

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Aktuelles

18.12.2014 Erstattung der Anwaltskosten bei vermeidbarer Anzeige

Ein Arbeitgeber, der Strafanzeige gegen seinen Arbeitnehmer erstattet hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein, die Kosten für dessen anwaltliche Vertretung zu übernehmen. Im entschiedenen Fall hätte der Arbeitnehmer zumindest vor der Strafanzeige zu den Anschuldigungen befragt werden müssen, betonte das Gericht. Zwar dürfe jemand, der gutgläubig eine Anzeige erstatte, nicht mit dem Risiko eines Schadensersatzanspruches belegt werden, wenn sich der Verdacht später nicht bestätige. Dieser Grundsatz, den das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, gelte im Arbeitsverhältnis jedoch nicht uneingeschränkt. Hier bestünden besondere Fürsorgepflichten, nach denen die eine Partei der anderen nicht grundlos Nachteile zufügen dürfe. Die Arbeitgeberin hätte den Kläger im konkreten Fall vor Erstattung der Anzeige befragen und den Sachverhalt auf diese Weise gegebenenfalls aufklären müssen.

Arbeitsgerichts Köln, Urteil vom 18.12.2014, Aktenzeichen 11 Ca 3817/14

11.12.2014 Verwirkung eines Anspruchs bei Mobbing

Im der Entscheidung zugrunde liegenden Falle machte der Kläger gegen seinen früheren Vorgesetzten einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Höhe von mindestens 10.000 Euro geltend. Er stützte sich dabei auf Vorfälle in den Jahren 2006 bis 2008, die er als Isolierung, Herabwürdigung und Schikane wertet. Der letzte Vorgang soll am 8. Februar 2008 stattgefunden haben. Der Kläger war 2007 an 52 Tagen, 2008 an 216 Tagen und 2009 durchgängig bis August arbeitsunfähig, unter anderem wegen Depression. Die Klage ging Ende Dezember 2010 bei Gericht ein. Das Landesarbeitsgericht hatte einen möglichen Schmerzensgeldanspruch allein wegen Verwirkung abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Sie führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Eine Verwirkung, die nur unter ganz besonderen Umständen zu bejahen ist, scheidet hier aus. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein bloßes Zuwarten nicht als „treuwidrig“ anzusehen. Ein Unterlassen begründet nur dann ein Umstandsmoment, wenn aufgrund zusätzlicher besonderer Umstände eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung besteht. In der vorzunehmenden Gesamtabwägung darf nicht auf eventuelle Beweisschwierigkeiten auf Seiten des Anspruchsgegners abgestellt werden. Das durch Richterrecht geschaffene Institut der Verwirkung darf in seiner Anwendung nicht dazu führen, dass die gesetzliche Verjährung unterlaufen wird.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2014, Aktenzeichen 8 AZR 838/13

03.12.2014 Arbeitsverhältnis trotz AN-überlassungserlaubnis

In einem unlängst entschiedenen Falle war der Kläger Entwicklungsingenieur. Er wurde bei der beklagten Firma EvoBus GmbH in Mannheim seit 20.05.2011 durchgehend in derselben Abteilung auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt. Angestellt war er nacheinander bei 3 verschiedenen Drittfirmen. Der Einsatz des Klägers bei der Beklagten erfolgte in Erfüllung sogenannter Rahmenwerkverträge zwischen den Drittfirmen und der Beklagten. Nach den gerichtlichen Feststellungen war der Kläger jedoch voll betrieblich eingegliedert und unterstand im Hinblick auf die zu erbringenden Arbeitsleistungen dem Weisungsrecht der Beklagten, was trotz gegenteiliger vertraglicher Bezeichnungen bewusst so gewollt war. Dem Kläger, der wegen dieses bloßen "Scheinwerkvertragsverhältnisses" die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten geltend machte, wurde von der Beklagten entgegengehalten, dass alle 3 Drittunternehmen über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügten. Dass der Einsatz des Klägers bei der Beklagten im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung hätte erfolgen sollen oder können, wurde jedoch weder im Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und den Drittunternehmen, noch in den Werkverträgen zwischen den Drittunternehmen und der Beklagten transparent gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat, anders als die Vorinstanz, entschieden, dass es ein widersprüchliches Verhalten sowohl der Drittfirmen als auch der Beklagten darstelle, sich nunmehr auf ein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis bei bestehender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu berufen. Verleiher und Entleiher haben sich während der gesamten Vertragslaufzeiten gerade außerhalb des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) stellen wollen und somit bewusst den durch das AÜG vermittelten Sozialschutz des Klägers zu verhindern versucht. Da sich die Verleiher nicht auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen dürfen, ist der Arbeitsvertrag zwischen den Drittunternehmen und dem Kläger nichtig. Es gilt vielmehr ein Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten als zustande gekommen.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 03.12.2014, Aktenzeichen 4 Sa 41/14

19.11.2014 Fristlose Kündigung nach durchschlafener Zugfahrt

Die Klägerin, eine Stewardess, welche im Bordservice der Fernverkehrszüge ihrer Arbeitnehmerin beschäftigt war, meldete sich nicht (auch nicht rückwirkend) krank, obwohl es ihr nicht gut ging. Sie sah sich trotz Unwohlseins subjektiv zur Arbeit in der Lage. Die Klägerin öffnete in Karlsruhe ihren Verkaufsbereich, bat jedoch dann die Restaurantleiterin, sich kurz hinsetzen zu dürfen und sie zu wecken, sobald mehr Betrieb eingesetzt hat. Dies sagte die Restaurantleiterin zu. Die Klägerin setzte sich in ein Abteil und schlief ein. Bis zur Ankunft des Zuges in Basel nach einigen Stunden (die Fahrt ging von Karlsruhe über Interlaken nach Basel) sah niemand nach der Klägerin; diese hatte die ganze Fahrt verschlafen.Bei der späteren Rückfahrt von Basel nach Köln verrichtete die Klägerin ordnungsgemäß ihren Dienst. Daraufhin erhielt die Klägerin die fristlose Kündigung. Die Beklagte wirft der Klägerin Arbeitsverweigerung vor sowie die Bitte an die Restaurantleiterin, sie zu wecken, und sie wirft ihr zusätzlich vor, sich nicht nachträglich krankgemeldet zu haben. Jedoch könne die Beklagte nicht nachweisen, dass die Klägerin auf der Fahrt nach Basel arbeitsfähig gewesen ist, so dass sie ihr lediglich eine fehlerhafte Selbsteinschätzung vorhalten könne. Dafür, wie auch für ihre Bitte gegenüber der Restaurantleiterin und für die nachträgliche Arbeitsmeldung, fehle es jedenfalls an einer einschlägigen Abmahnung, so das Gericht. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gelte das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung sei nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung müsse sich deshalb noch für die Zukunft belastend auswirken. Deshalb setze eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung voraus. Das der Klägerin vorgeworfene Verhalten sei jedenfalls weder als besonders schwere Pflichtverletzung zu erkennen, noch war eine Verhaltensänderung nicht mehr erwartbar. Darüber hinaus konnte die Klägerin nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen, dass die Beklagte ihr Verhalten zum Anlass einer Kündigung nehmen würde. Die beiden Abmahnungen, welche die Klägerin bereits wegen Verschlafens erhalten hat, stehen nach Ansicht des Gerichts nicht im Zusammenhang mit dem nunmehr vorgeworfenen Verhalten. Denn die Klägerin hat im Gegensatz zu den zuvor abgemahnten Sachverhalten zunächst die Arbeit versucht aufzunehmen, indem sie pünktlich erschien und ihren Verkaufsbereich öffnete. Verschiedene Umstände sprechen laut Auffassung des Gerichts jedoch für eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin auf der Hinfahrt nach Basel. Die fehlerhafte Selbsteinschätzung der eigenen gesundheitlichen Arbeitsfähigkeit unterscheide sich qualitativ deutlich von der mangelnden Pflichtendisziplin, die im Nichtantritt des Dienstes wegen Verschlafens ihren Ausdruck findet, so das Gericht.

Arbeitsgericht Köln, Entscheidung vom 19.11.2014, Aktenzeichen 7 Ca 2114/14

18.11.2014 Kein genereller Anspruch auf gute Leistungsbeurteilung

Bescheinigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seine Aufgaben »zur vollen Zufriedenheit« erfüllt zu haben, erteilt er in Anlehnung an das Schulnotensystem die Note »befriedigend«. Beansprucht der Arbeitnehmer eine bessere Schlussbeurteilung, muss er entsprechende Leistungen vortragen und beweisen, dass er den Anforderungen gut oder sehr gut gerecht geworden ist. Dies gilt auch dann, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend (fast 90%) gute(»stets zur vollen Zufriedenheit«) oder sehr gute (»stets zur vollsten Zufriedenheit«)Endnoten vergeben werden. Es kommt für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht auf die in der Praxis am häufigsten vergebenen Noten an. Ansatzpunkt ist die Note »befriedigend« als mittlere Note der Zufriedenheitsskala. Im Übrigen lassen sich den Studien keine Tatsachen entnehmen, die den Schluss darauf zulassen, dass neun von zehn Arbeitnehmern gute oder sehr gute Leistungen erbringen. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Gefälligkeitszeugnisse in die Untersuchungen eingegangen sind, die dem Wahrheitsgebot des Zeugnisrechts nicht entsprechen. Der Zeugnisanspruch nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO richtet sich auf ein inhaltlich »wahres« Zeugnis. Das umfasst auch die Schlussnote. Ein Zeugnis muss auch nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.11.2014, Aktenzeichen 9 AZR 584/13

07.11.2014 2 Euro Stundenlohn ist sittenwidrig

Die Vereinbarung eines Stundenlohnes von weniger als zwei Euro ist regelmäßig sittenwidrig und damit gemäß § 138 BGB rechtsunwirksam, wenn die Vergütung mehr als 50% hinter der üblichen Vergütung zurückbleibt. Es liegt dann ein besonders grobes Missverhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung des Arbeitgebers vor, das den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers erlaubt. Im zugrunde liegenden Falle hatte der Arbeitgeber, ein Rechtsanwalt, zwei Empfänger von Leistungen nach dem SGB II mit Bürohilfstätigkeiten gegen ein Entgelt von 100 Euro im Monat beschäftigt, was bei der abverlangten Arbeitsleistung einen Stundenlohn von weniger als zwei Euro ergab. Das Jobcenter machte aus übergegangenem Recht weitere Lohnansprüche geltend und argumentierte, es liege eine sittenwidrige Lohnvereinbarung vor, die den Arbeitgeber zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichte. Die Arbeitsleistungen seien für den Arbeitgeber auch von wirtschaftlichem Wert gewesen; sie hätten ansonsten von ihm selbst oder seinen festangestellten Mitarbeitern ausgeführt werden müssen. Auch entlaste es den Arbeitgeber nicht, dass er den Leistungsempfängern eine Hinzuverdienstmöglichkeit habe einräumen wollen. Denn dies berechtige ihn nicht, Arbeitsleistungen in einem Umfang abzufordern, der zu dem geringen Stundenlohn führen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.11.2014, Aktenzeichen 6 Sa 1148/14; 6 Sa 1149/14

29.10.2014 Bezahlung trotz polizeilichen Einsatzverbots

Untersagt die Polizeibehörde dem Arbeitgeber den Einsatz eines Arbeitnehmers als Sicherheitskraft am Flughafen, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach einem Arbeitskraftangebot trotz Nichtbeschäftigung die vertraglich geschuldete Vergütung zahlen. In dem vom Gericht mitgeteilten Fall ging es um einen Sicherheitsmitarbeiter eines Flughafens, der in dieser Funktion als Beliehener der Luftsicherheitsbehörde Sicherungsaufgaben nach dem Luftsicherheitsgesetz wahrnimmt. Nachdem eine Kollegin den Arbeitnehmer unter anderem beschuldigt hatte, er habe gegen Zahlung von Geld die Mitnahme unerlaubter Flüssigkeiten im Flugzeug erlaubt, wies die Polizeibehörde die Arbeitgeberin an, den Arbeitnehmer vorläufig nicht mehr zu beschäftigen. Die Arbeitgeberin suspendierte daraufhin den Arbeitnehmer und zahlte an ihn auch nach einem Arbeitskraftangebot keine Vergütung. Die Polizeibehörde hob das Einsatzverbot auf, nachdem sich die gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe als haltlos erwiesen hatten. Es gehöre zu ihrem unternehmerischen Risiko, dass die Behörde einen ihrer Mitarbeiter auf seine Zuverlässigkeit hin überprüfen wolle und seinen Einsatz bis zum Abschluss der Überprüfung untersage. Dies gelte jedenfalls in Fällen, in denen der Arbeitnehmer nichts zu der entstandenen Situation beigetragen habe und sich die behördliche Anordnung auch nicht an ihn richte. Untersage die Behörde hingegen dem Arbeitnehmer selbst eine Tätigkeit, entfielen die Vergütungsansprüche.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.10.2014, Aktenzeichen 17 Sa 285/14

23.10.2014 Eigenschaden bei betrieblicher Nutzung des PKW

Wie das Landesarbeitsgericht Düsseldorf nun unlängst entschied, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Unfallschäden an dessen Fahrzeug ersetzen, sofern das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde. Anders ist dies dann, wenn der Arbeitnehmer hierfür eine besondere Vergütung erhält. Dies ist wiederum der Fall, wenn der eine Wegstreckenentschädigung von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer erhält. Diese Wegstreckenentschädigung deckt die Kosten einer Fahrzeugvollversicherung mit ab. Darin ist die Abrede zu sehen, dass der Arbeitnehmer im Schadensfall auf die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung verwiesen werden kann. Nimmt der Arbeitnehmer diese nicht in Anspruch, muss er die Reparaturkosten tragen, die nach Abzug des Selbstbehalts und des prognostizierten Rückstufungsschaden verbleiben, welche die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer erstattet hatte.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2014, Aktenzeichen 12 Sa 617/14

21.10.2014 Zusätzlicher Urlaub nach Vollendung des 58. Lebensjahrs

Gewährt ein Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern jährlich mehr Urlaubstage als den jüngeren, kann diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zulässig sein. Bei der Prüfung, ob eine solche vom Arbeitgeber freiwillig begründete Urlaubsregelung dem Schutz älterer Beschäftigter dient und geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG ist, steht dem Arbeitgeber eine auf die konkrete Situation in seinem Unternehmen bezogene Einschätzungsprärogative zu. Dies gilt insbesondere auch für die Annahme, zwei weitere Urlaubstage seien aufgrund des an das erhöhte Alter gekoppelte vermehrte Erholungsbedürfnisses angemessen.

Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 21.10.2014, Aktenzeichen 9 AZR 966/12

17.10.2014 Kein Anspruch auf Praktikantenvergütung

Wird die Durchführung eines Praktikums auf der Basis eines dreiseitigen Vertrages unter Beteiligung eines im Auftrag einer Agentur für Arbeit tätigen Bildungsträgers, eines Praktikanten und eines das Praktikum ermöglichenden Arbeitgebers abgeschlossen, steht dem sozialversicherungsrechtlich förderungsbedürftigen Praktikanten kein Anspruch auf Vergütung aus einem Arbeitsverhältnis zu, wenn das Praktikum nach dem Wortlaut der getroffenen dreiseitigen Vereinbarung Teil einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme i.S.d. § 51 SGB III ist und die tatsächliche Handhabung des Praktikums dem entspricht. Die einem Arbeitsverhältnis ähnlich starke Einbindung des Praktikanten in den Betrieb steht dem nicht entgegen, wenn dem Praktikanten als Teil der berufsvorbereitenden Maßnahme auch die Grundkompetenz vermittelt werden soll, sich in zeitliche, örtliche und organisatorische betriebliche Abläufe einfinden zu können.

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17.10.2014, Aktenzeichen 1 Sa 664/14

16.10.2014 Abrechnung eines Pauschalvertrags

Der Werklohnanspruch des Unternehmers kann im Fall eines vom Besteller teilweise gekündigten Pauschalpreisvertrags, sofern lediglich ganz geringfügige Leistungen ausstehen und keine kalkulatorischen Verschiebungen zu Lasten des Bestellers verdeckt werden können, auch auf die Weise berechnet werden, dass die nicht erbrachte Leistung bewertet und von der Gesamtvergütung abgezogen wird.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.10.2014, Aktenzeichen VII ZR 176/12

10.10.2014 Keine einseitige Kündigung bei Telearbeit

Der Arbeitgeber kann eine Vereinbarung, die dem Arbeitnehmer ermöglicht, einen erheblichen Teil seiner Arbeitszeit per Computer von zu Hause aus zu arbeiten, nicht einseitig kündigen. Zudem stellt die Beendigung der Telearbeit eine Versetzung im Sinne des BetrVG dar, die eine Zustimmung des Betriebsrats erfordert. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage ebenso wie das Arbeitsgericht stattgegeben und festgestellt, dass die Beendigung der alternierenden Telearbeit unwirksam ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger weiter zu mindestens 40 % an seiner häuslichen Arbeitsstätte zu beschäftigen. Eine Abrede in allgemeinen Arbeitsvertragsbedingungen, welche die Beendigung einer vereinbarten alternierenden Telearbeit für den Arbeitgeber voraussetzungslos ermöglicht und nicht erkennen lässt, dass dabei auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, ist wegen Abweichung von dem gesetzlichen Leitbild, wonach die Bestimmung des Arbeitsortes durch den Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu erfolgen hat (§ 106 Satz 1 GewO), unwirksam. Es fehlte zudem im konkreten Fall an der Zustimmung des Betriebsrats. Die Beendigung alternierender Telearbeit stellt regelmäßig eine Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes dar. Dies gilt auch dann, wenn ein Ortswechsel für das Arbeitsverhältnis typisch ist, weil der Arbeitnehmer als Marktverantwortlicher seine Arbeit zu einem Großteil bei den Kunden erbrachte. Die Einbindung des Arbeitnehmers in den Betriebsablauf und die Aufgabenerfüllung ist auch bei teilweiser Telearbeit aufgrund von deren Besonderheiten eine völlig andere als ohne Telearbeit, so dass sich bei der Beendigung der Telearbeit das Bild der Tätigkeit grundsätzlich ändert.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.09.2014, Aktenzeichne 12 Sa 505/14

30.09.2014 Keine Mützenpflicht bei Piloten

Wie das Bundesarbeitsgericht unlängst entschied, dürfen Lufthansa-Piloten ihrem Job auch ohne Pilotenmütze nachgehen. Die "Betriebsvereinbarung Dienstbekleidung" schreibt Lufthansa-Piloten auf Flughafen zwar vor, eine Uniform zu tragen, zu welcher bei (männlichen) Piloten auch eine sogenannte "Cockpit-Mütze" gehört. Pilotinnen hingegen dürfen frei entscheiden, ob sie diese Kopfbedeckung tragen möchten oder nicht. Eine solche Betriebsvereinbarung, die also lediglich männlichen Piloten das Tragen der Cockpit-Mütze vorschreibt, sei diskriminierend, verstoße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und ist daher unwirksam. Alle Rechtfertigungsversuche seitens der Fluggesellschaft, wie etwa "eine Pilotenmütze entspreche dem klassischen Pilotenbild", waren fruchtlos. Die einheitliche Dienstkleidung soll das Cockpitpersonal in der Öffentlichkeit als hervorgehobene Repräsentanten des Luftfahrtunternehmens kenntlich machen. Gemessen an diesem Regelungszweck ist eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt. Ob es sich außerdem auch um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts handelt, bedurfte keiner Entscheidung.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.09.2014, Aktenzeichen 1 AZR 1083/12

24.09.2014 Kopftuch-Verbot an evangelischen Krankenhäusern

Krankenschwestern müssen im Dienst ihr Kopftuch abnehmen, sofern ihr konfessioneller Arbeitgeber das wünscht. Damit hat das Bundesarbeitsgericht die Klage einer Bochumer Muslimin abgewiesen. Denn das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit ist mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar. Kirchen haben nach wie vor einen arbeitsrechtlichen Sonderstatus. Das Bundesverfassungsrecht billigte ihnen 1985 das Recht zu, Arbeitsverhältnisse nach ihrem Selbstverständnis zu regeln. Auf dieses Selbststimmungsrecht gehen unter anderem besondere Loyalitätspflichten für Arbeitnehmer zurück.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.09.2014, Aktenzeichen 5 AZR 611/12

18.09.2014 Benachteiligung wegen Geschlechts bei Bewerbung

Bei einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts kann die besondere Benachteiligung des einen Geschlechts durch ein dem Anschein nach neutrales Kriterium mit einem Verweis auf statistische Erhebungen dargelegt werden. Die herangezogene Statistik muss aussagekräftig, dh. für die umstrittene Fallkonstellation gültig sein. Im zugrunde liegenden Falle suchte die Beklagte, welche einen lokalen Radiosender betreibt, für eine Vollzeitstelle eine Buchhaltungskraft mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung. Die Klägerin bewarb sich auf diese Stelle und wies im beigefügten Lebenslauf auf ihre Ausbildungen als Verwaltungsfachfrau und zur Bürokauffrau hin. Außerdem gab sie dort an „Familienstand: verheiratet, ein Kind“. Sie erhielt daraufhin eine Absage: Auf dem zurückgesandten Lebenslauf war der Angabe zum Familienstand hinzugefügt „7 Jahre alt!“, dies und die von der Klägerin stammende Angabe „ein Kind“ war unterstrichen. Die Klägerin sieht sich als Mutter eines schulpflichtigen Kindes, die eine Vollzeitbeschäftigung anstrebt, benachteiligt. Die Notiz der Beklagten auf ihrem Lebenslauf spreche dafür, dass die Beklagte Vollzeittätigkeit und die Betreuung eines siebenjährigen Kindes nicht oder nur schlecht für vereinbar halte. Die Beklagte hat eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts abgelehnt. Sie hat darauf verwiesen, eine junge verheiratete Frau eingestellt zu haben, die über eine höhere Qualifikation verfüge. Die vom Berufungsgericht herangezogene Statistik (Mikrozensus) für den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollbeschäftigten lässt keine Aussagen für den Fall der Klägerin zu. Das Landesarbeitsgericht als Tatsachengericht wird aber zu prüfen haben, ob in dem Verhalten der Beklagten nicht eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin als Frau zu sehen ist, was eine Auslegung des Vermerks auf dem zurückgesandten Lebenslauf erfordert.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. September 2014, Aktenzeichen 8 AZR 753/13

18.09.2014 Schwerbehinderung eines Bewerbers

Ein schwerbehinderter Mensch, der bei seiner Bewerbung um eine Stelle den besonderen Schutz und die Förderung nach dem SGB IX in Anspruch nehmen will, muss die Eigenschaft, schwerbehindert zu sein, grundsätzlich bereits im Bewerbungsschreiben mitteilen oder unter deutlicher Hervorhebung im Lebenslauf darauf hinweisen. Eine solche Mitteilung muss bei jeder Bewerbung erfolgen. Auf Erklärungen bei früheren Bewerbungen kommt es nicht an. Entscheidend ist die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des SGB IX im Zeitpunkt der Bewerbung, nicht zu einem früheren Zeitpunkt. Unauffällige Informationen oder eine in den weiteren Bewerbungsunterlagen befindliche Kopie des Schwerbehindertenausweises sind keine ausreichende Information des angestrebten Arbeitgebers. Auch ist das Datenschutzrecht zu berücksichtigen. Es liegt in der Entscheidung des schwerbehinderten Menschen, ob er die Schwerbehinderung bei der Bewerbung nach SGB IX berücksichtigt haben will oder nicht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. September 2014, Aktenzeichen 8 AZR 759/13

02.09.2014 "Mund verbieten" ist verboten

Arbeitgeber können Mitarbeitern, denen sie wegen Anprangerns innerbetrieblicher Missstände gekündigt haben, nicht ein für alle Mal den Mund verbieten. Der entsprechende Eilantrag einer Berliner Krankentransportfirma ist vor Gericht abgeblitzt. Die Arbeitsrichter stützen ihre Entscheidung auf ein wichtiges Grundrecht. Im zugrunde liegenden Falle hatte ein privater Krankentransportdienst einem Rettungssanitäter fristlos gekündigt, nachdem dieser in den Medien über angebliche Missstände bei seinem Arbeitgeber berichtet hatte. Das Arbeitsgericht hält die Kündigung für rechtswirksam, denn der Arbeitnehmer habe nicht versucht, intern und ohne Veröffentlichung auf eine Beseitigung der angenommenen Missstände hinzuwirken. Zwar habe der Mitarbeiter mit seinen Äußerungen gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Gleichzeitig werden diese zur Kündigung berechtigenden Äußerungen selbst aber vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 02.09.2014, Aktenzeichen: 31 Ga 11742/14

28.08.2014 Kein uneingeschränktes Weisungsrecht

Wenn Arbeitgeber von ihren Beschäftigten verlangen an einem anderen, als dem bisherigen Arbeitsplatz zu arbeiten geht dies nicht selten mit erheblichen Mehrbelastungen der Betroffenen einher. Wer aus verschiedenen Gründen an einen Wohnort gebunden ist und versetzt wird, hat oftmals keine andere Wahl als zeitintensiv und aufwändig zu pendeln, doch was ist noch erträglich und was nicht. Im zugrunde liegenden Falle war ein 59jähriger gewerblicher Arbeitnehmer, mit einem Monatslohn von 2.700,00 Euro, nach 36-jähriger Beschäftigung bei einem Arbeitgeber in Deutschland von diesem nach Belgien versetzt worden. Es wurde von ihm verlangt statt der bisherigen Wegstrecke von circa 15km zwischen Wohn- und Arbeitsort nunmehr 70km auf sich zu nehmen. Nach der erstmaligen Reise des Arbeitnehmers nach Belgien am ersten Arbeitstag erklärte er, der Anordnung der Versetzung nicht weiter Folge leisten zu wollen. Der Arbeitgeber reagierte, indem er dem Beschäftigten gegenüber wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung eine verhaltensbedingte Kündigung aussprach. Das Gericht entschied nun: Grundsätzlich könne zwar der Arbeitgeber nach § 106 GewO “[…] Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.” Allerdings müsse der Arbeitgeber hierbei auch die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigen. Nach Ansicht des Gerichts sei es nicht zweifelhaft, dass hier die Versetzung unzumutbar gewesen sei. Zumindest hätte der Arbeitgeber hier die zusätzlichen Fahrtkosten übernehmen müssen, da der Arbeitnehmer hierzu in Anbetracht seines Gehalts tatsächlich nicht in der Lage gewesen sei. Trotz dahingehender Aufforderung sei diesem dem Begehren nicht nachgekommen. Die Kündigung sei nach Ansicht der Richter demnach nicht wirksam, da die vorausgehende Versetzung als solche ebenfalls unwirksam war.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 28.08.2014, Aktenzeichen 6 Sa 423/14

27.08.2014 Unterlassungsanspruch wegen beleidigender Worte?

Wer im Zusammenhang mit einer einmaligen Eskalation bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Arbeitgeber beleidigt, ist nicht immer verpflichtet, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Sind abwertende Äußerungen bereits einmal gefallen, wird zwar an sich das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr vermutet. Liegt aber eine einmalige eskalierende Situation vor, in der etwaige ehrverletzende Äußerungen über den Arbeitgeber abgegeben wurden, noch dazu bei beendetem Arbeitsverhältnis, spricht das gegen eine Wiederholungsgefahr. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer sich weigert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und sich gegen eine Unterlassungsklage verteidigt.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.08.2014, Aktenzeichen 3 Sa 153/14

21.08.2014 Zahngold aus Kremationsasche

Nehmen Beschäftigte Edelmetallrückstände aus der Kremationsasche an sich, kann der Arbeitgeber die Herausgabe, oder, wenn diese wegen Verkaufs unmöglich ist, Schadensersatz verlangen. Der Arbeitgeber als Betreiber des Krematoriums hat grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch, wenn ein Arbeitnehmer Zahngold aus Kremierungsrückständen an sich nimmt. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber nicht Eigentümer des Zahngoldes geworden ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. August 2014, Aktenzeichen 8 AZR 655/13

12.06.2014 Urlaubsanspruch endet nicht mit Tod

Ein Arbeitnehmer verliert mit dem Tod nicht seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Seine Erben können daher einen finanziellen Ausgleich für Urlaub verlangen, den der Verblichene nicht mehr nehmen konnte. Nationale Gesetze oder “Gepflogenheiten”, wonach der Urlaubsanspruch “untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet”, sind mit dem EU-Recht nicht vereinbar. Der Anspruch auf bezahlten Urlaub ist “ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts”. Die Auszahlung von Resturlaub nach dem Tod eines Arbeitnehmers stellt deshalb “die praktische Wirksamkeit des Urlaubsanspruchs sicher”. Das EuGH verweist darauf, dass ein Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf bezahlten Urlaub hat, wenn dieser vor dem Verlassen eines Unternehmens angefallen ist. Auch wer wegen einer Krankheit gar keinen Urlaub nehmen kann, hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Recht auf einen finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub. Der Anspruch auf finanzielle Abgeltung hängt nicht davon ab, dass der Verstorbene zuvor einen entsprechenden Antrag gestellt hat.

Europäischer Gerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2014, Aktenzeichen C-118/13

12.05.2014 Kündigungsschutz eines Schwerbehinderten

Schwerbehinderte Arbeitnehmer oder gemäß § 2 III SGB IX diesen gleichgestellte Arbeitnehmer erfahren durch die Vorschriften der §§ 85 ff. SGB IX einen zusätzlichen Schutz vor Kündigungen des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. Dieser besondere Schutz findet seine wichtigste Ausprägung in der Vorschrift des § 85 SGB IX: Die ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Da sie gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist sie gem. § 134 BGB nichtig und kann daher auch nicht nachträglich durch das Integrationsamt genehmigt werden. Während die Arbeitsgerichte den Arbeitnehmer vor einer sozial ungerechtfertigten Kündigung schützen sollen, liegt die Aufgabe des Integrationsamtes darin, dafür zu sorgen, dass dem schwerbehinderten Arbeitnehmer kein für ihn geeigneter Arbeitsplatz verloren geht. Dies bedeutet, dass die Zustimmung des Integrationsamtes nicht präjudiziell ist für das Kündigungsschutzverfahren; das Integrationsamt darf nicht die Sozialwidrigkeit der Kündigung prüfen. Die Entscheidung des Integrationsamt stellt eine aufgrund einer alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Ermessensentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen dar. Das Integrationsamt handelt ermessensfehlerhaft, wenn es von einem unvollständigen oder falschen Sachverhalt ausgeht oder wenn es erhebliche Umstände des Einzelfalles unberücksichtigt lässt. Die dann rechtswidrige Entscheidung in der Gestalt eines Verwaltungsakts kann durch fristgerechte Einlegung eines Rechtsbehelfs erfolgreich angefochten werden. Der besondere Kündigungsschutz steht dem Arbeitnehmer sogar dann zu, wenn der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft beziehungsweise Gleichstellung hatte. Der Arbeitnehmer, der sich im Prozess auf eine Schwerbehinderung und die Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung beruft, muss dann innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung gegenüber dem Arbeitgeber seine bereits festgestellte oder zur Feststellung beantragte Schwerbehinderteneigenschaft geltend machen, andernfalls hat er den besonderen Kündigungsschutz verwirkt.

06.05.2014 Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub

In einem nun entschiedenen Fall war die Klägerin bei der beklagten Universitätsklinik seit August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Vom 1. Januar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. September 2011 hatte sie unbezahlten Sonderurlaub und verlangte danach erfolglos von der Beklagten die Abgeltung von 15 Urlaubstagen aus dem Jahr 2011. Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Diese Vorschrift ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BUrlG unabdingbar. Die Entscheidung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erfordert nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses und die einmalige Erfüllung der Wartezeit. Kommt es zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, hindert dies grundsätzlich weder das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch ist der Arbeitgeber zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt. Der von den Parteien vereinbarte Sonderurlaub stand dem Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahres 2011 somit nicht etwa nicht entgegen. Er berechtigte die Beklagte auch nicht zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs.

Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 06.05.2014, Aktenzeichen 9 AZR 678/12

10.04.2014 Kündigung zum „nächstzulässigen Termin“

Eine „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung steht unter der – zulässigen – auflösenden Rechtsbedingung iSv. § 158 Abs. 2 BGB, dass das Arbeitsverhältnis nicht schon aufgrund eines anderen Umstands endet. Ihre Wirkung endigt, wenn feststeht, dass das Arbeitsverhältnis bereits durch den anderen Beendigungstatbestand aufgelöst worden ist. Eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ oder „nächstmöglichen Zeitpunkt“ ist typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergibt. Sie ist jedenfalls dann hinreichend bestimmt, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn ohne umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen feststellbar ist. Die Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Kündigung ist de lege lata – außer bei der Verdachtskündigung – keine Wirksamkeitsvoraussetzung.

Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 10.04.2014, Aktenzeichen 2 AZR 647/13

09.04.2014 Stundenlöhne von 1,54€ bzw. 1,65€ nicht sittenwidrig

Das Arbeitsgericht Cottbus hat kürzlich eine Klage des Jobcenters Oberspreewald-Lausitz gegen einen Rechtsanwalt zurückgewiesen, weil dieser in seiner Kanzlei zwei Bürokräfte für Stundenlöhne von nur 1,54 Euro beziehungsweise 1,65 Euro beschäftigt hat. In dem zugrunde liegenden Fall hatten diese beiden Bürokräfte bei 14 bzw. 15 Stunden pro Woche jeweils ein Monatsentgelt von 100 Euro erhalten. Der Stundenlohn lag damit rechnerisch bei nur 1,54 Euro bzw. 1,65 Euro pro Stunde. Die beiden Mitarbeiter konnten ihren Lebensunterhalt nur bestreiten, weil sie zusätzlich Hartz-IV-Leistungen erhielten. Das Jobcenter war der Auffassung, dass der hier jeweils gezahlte Lohn so niedrig sei, dass er als sittenwidrig einzustufen sei und die beiden Arbeitnehmer noch zusätzliche Ansprüche gegen den Arbeitgeber hätten, die nun wegen der gezahlten Unterstützungen auf das Jobcenter übergegangen seien. Dem folgte das Arbeitsgericht Cottbus jedoch nicht. Zwar liege hier ein Missverhältnis zwischen den erbrachten Arbeitsleistungen der beiden Mitarbeiter und dem jeweils gezahlten Lohn vor. Allerdings sei hier wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls keine „verwerfliche Absicht zur Ausnutzung einer Zwangslage“ der Mitarbeiter erkennen. Die beiden Beschäftigten hätten auf eigenen Wunsch zu diesen Löhnen gearbeitet, um damit eine Chance zu erhalten auf dem Arbeitsmarkt erst einmal wieder Fuß zu fassen. Der Rechtsanwalt habe mit sechs ausgelasteten Vollzeitbeschäftigten eigentlich gar kein Bedürfnis gehabt, zusätzlich noch zwei weitere Beschäftigte einzustellen. Er habe also hier nicht „ausbeuterisch“ gehandelt, sondern den Beschäftigten eher noch einen Gefallen getan, der ihm letztlich sogar unnötige Mehrkosten eingebracht habe.

Arbeitsgericht Cottbus, Urteile vom 09.04.2014, Aktenzeichen 13 Ca 10477/13 und 13 Ca 10478/13

09.04.2014 Nicht für Nachtschichten eingeteilt

Kann eine Krankenschwester aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. Sie hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden. Im zugrunde liegenden Falle war die Krankenschwester K seit 1983 in einem Krankenhaus der sog. Vollversorgung mit etwa 2.000 Mitarbeitern im Schichtdienst tätig. Arbeitsvertraglich war sie im Rahmen begründeter betrieblicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit verpflichtet. Nach einer Betriebsvereinbarung ist eine gleichmäßige Planung ua. in Bezug auf die Schichtfolgen der Beschäftigten anzustreben. Das Pflegepersonal in diesem Krankenhaus arbeitet im Schichtdienst mit Nachtschichten von 21.45 Uhr bis 6.15 Uhr. K war nunmehr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Nachtdienste zu leisten, weil sie medikamentös behandelt wurde. Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung schickte der Pflegedirektor K am 12. Juni 2012 nach Hause, weil sie wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit arbeitsunfähig krank sei. K bot demgegenüber ihre Arbeitsleistung - mit Ausnahme von Nachtdiensten - ausdrücklich an. Bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts im November 2012 wurde sie nicht beschäftigt. Sie erhielt zunächst Entgeltfortzahlung und bezog dann Arbeitslosengeld. Das Gericht entschied:K ist weder arbeitsunfähig krank noch ist ihr die Arbeitsleistung unmöglich geworden. Sie kann alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen. Bei der Schichteinteilung muss auf das gesundheitliche Defizit der K Rücksicht genommen. Die Vergütung steht der K unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu, weil sie die Arbeit ordnungsgemäß angeboten hat und der Arbeitgeber erklärt hatte, er werde die Leistung nicht annehmen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 9. April 2014, Aktenzeichen 10 AZR 637/13

19.03.2014 Leistungsbonus in Abhängigkeit von Ertragslage

Hat ein Arbeitgeber nach § 315 BGB über einen Bonusanspruch zu entscheiden, der gleichermaßen auf der Ertragslage des Unternehmens wie auf der Leistung des Arbeitnehmers beruht, muss ein festzusetzendes Bonusbudget - in Abhängigkeit von der Ertragslage – regelmäßig eine Größenordnung erreichen, die den Leistungsbezug des Bonussystems beachtet und ausreicht, die durch Abschluss von Zielvereinbarungen angestrebten und tatsächlich erbrachten Leistungen angemessen zu honorieren. Die Leistungsbestimmung entspricht regelmäßig nur dann billigem Ermessen, wenn vereinbarte und erreichte persönliche Ziele ihren angemessenen Ausdruck in dem festgelegten Leistungsbonus finden. Deshalb kommt, wenn der Arbeitnehmer die Ziele erreicht, nur in Ausnahmefällen eine Festsetzung des Bonus auf „Null“ in Betracht.

Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 19.03.2014, Aktenzeichen 10 AZR 622/13

17.02.2014 Tricksen bei Zeiterfassung kostet Job

Im der Entscheidung zugrunde liegenden Falle war der verheiratete 46 Jahre alte Kläger, der Vater eines Kindes ist, seit mehr als 25 Jahren in einer Großmetzgerei beschäftigt. Beim Verlassen des Produktionsbereichs wegen privater Arbeitsunterbrechungen müssen die Mitarbeiter eine Zeiterfassung über einen Chip bedienen. Ebenso müssen sie sich rückmelden, wenn sie den Produktionsbereich wieder betreten. Der Kläger wurde dabei beobachtet, dass er den Chip in seiner Geldbörse ließ und zusätzlich mit seiner Hand abschirmte, wenn er diesen vor das Zeiterfassungsgerät zum An- und Abmelden hielt. Eine Kontrolle durch den Arbeitgeber ergab, dass der Kläger in 1,5 Monaten so Pausen von insgesamt mehr als 3,5 Stunden gemacht hatte, ohne sich an- und abzumelden. Die Zeiten waren bezahlt worden. Die Zeiterfassung piepe, wenn ein Mitarbeiter sich an- oder abmelde. Ein Versehen des Klägers sei ausgeschlossen. Dieser habe bewusst nur so getan, als würde er die Anlage bedienen. Wegen des fehlenden akustischen Signals habe dieser gewusst, dass er den Chip erfolgreich abgedeckt hatte. Dem Arbeitgeber sei es wegen des vorsätzlichen Betrugs nicht zumutbar, nur mit einer Abmahnung zu reagieren. Der Vertrauensbruch wiege schwerer als die lange Betriebszugehörigkeit. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs für gerechtfertigt gehalten.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17.2.2014, Aktenzeichen 16 Sa 1299/13

04.02.2014 Kündigung nach ehrenrührigen Behauptungen

Stellt ein Arbeitnehmer ehrenrührige Behauptungen über Vorgesetzte und Kollegen auf, kann dies zu einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Im zugrunde liegenden Falle wurde die Klägerin von dem beklagten Landkreis in einer Stadtkämmerei als Sekretärin beschäftigt. Sie erhob vor allem gegen die Kämmerin, aber auch gegen weitere Kollegen schwere Vorwürfe; so sei es u. a. zu Alkoholexzessen und sexuellen Handlungen während des Dienstes gekommen. Der Landkreis kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung einer Kündigungsfrist. Das Landesarbeitsgericht hat die ordentliche Kündigung nach der Vernehmung von Zeugen für berechtigt gehalten und die Kündigungsschutzklage der Klägerin abgewiesen. Die Klägerin habe ihre Kollegen zu Unrecht beschuldigt und hierdurch ihre arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt; dass die Arbeitsabläufe in der Stadtkämmerei teilweise zu beanstanden gewesen seien, rechtfertige oder entschuldige die ehrenrührigen Behauptungen der Klägerin nicht. Dem Landkreis sei es insgesamt nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.02.2014, Aktenzeichen 19 Sa 322/13

23.01.2014 Haftung des Arbeitgebers bei Diskriminierung

Ansprüche auf Entschädigung bei Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nach § 15 Abs. 2 müssen gegen den Arbeitgeber gerichtet werden. Wird bei der Ausschreibung von Stellen ein Personalvermittler eingeschaltet, haftet dieser für solche Ansprüche nicht. Im zugrunde liegenden Falle bewarb sich der Kläger im September 2011 auf eine im Internet ausgeschriebene Stelle als Personalvermittler. Die Stelle sollte bei „unserer Niederlassung Braunschweig“ bestehen. Die Bewerbung sollte an die UPN GmbH in Ahrensburg gerichtet werden. Am Ende der Stellenausschreibung wurde wegen etwaiger „Kontaktinformationen für Bewerber“ auch auf eine UP GmbH in Ahrensburg verwiesen. Der Kläger bewarb sich unter der angegebenen E-Mail-Adresse, das Bewerbungsschreiben richtete er an die UP GmbH. Er erhielt eine Absage per E-Mail, deren Absenderin die UPN GmbH war. Der Kläger verlangte von der UPN GmbH ohne Erfolg eine Entschädigung, worauf die UPN GmbH die Bewerbungsablehnung inhaltlich näher begründete. Schließlich verklagte der Kläger die UPN GmbH auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Im Prozess berief sich die UPN GmbH darauf, nicht sie, sondern die UP GmbH habe die Stelle für deren Standort Braunschweig ausgeschrieben. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann nur gegen den „Arbeitgeber“ gerichtet werden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2014, Aktenzeichen 8 AZR 118/13

21.01.2014 Kein zwingender Hinweis auf Entgeltumwandlung

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer von sich aus auf den Anspruch auf Entgeltumwandlung von vier Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung hinzuweisen. Im Urteilsfall war der Kläger bis Juni 2010 beim beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte er vom Arbeitgeber Schadensersatz, weil dieser es pflichtwidrig unterlassen habe, ihn auf seinen Anspruch auf Entgeltumwandlung nach § 1a Betriebsrentengesetz hinzuweisen. Bei Kenntnis hätte er 215 Euro seiner monatlichen Arbeitsvergütung in eine Anwartschaft auf Leistungen der bAV umgewandelt. Als Durchführungsweg hätte er die Direktversicherung gewählt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.1.2014, Aktenzeichen 3 AZR 807/11

13.01.2014 Keinen Anspruch auf kostenloses Parken

Ein Arbeitnehmer hat auch kraft betrieblicher Übung keinen Rechtsanspruch darauf, einen Betriebsparkplatz weiterhin kostenfrei zu nutzen, wenn der Arbeitgeber die bisherige Parkplatzanlage beseitigt und unter erheblichen Aufwendungen eine neue Parkplatzfläche schafft. Insoweit verhält es sich nicht anders als bei der Bereitstellung von betriebseigenen Sozialeinrichtungen wie Kantinen, Kindergärten und Unterstützungskassen. Deren Einrichtung kann weder der einzelne Arbeitnehmer noch der Betriebsrat erzwingen.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13.01.2014, Aktenzeichen 1 Sa 17/13

08.01.2014 Leiharbeitsverbot bei ständigem Beschäftigungsbedarf

Im zugrunde liegenden Falle beschäftigte die Arbeitgeberin, ein großes Tochterunternehmen eines weltweit im Bereich der Gesundheitsvorsorge agierenden Konzerns, u.a. in einer Abteilung 10 festangestellte Ingenieure und 4 Führungskräfte. Diese brauchen eine Assistenz, die ihnen regelmäßig zuarbeitet. Dafür ist aber keine Planstelle vorgesehen. Bereits zwei Jahre lang beschäftigte sie auf dieser Position befristet eine Leiharbeitnehmerin. Sie beantragte 2013 beim Betriebsrat die Zustimmung zur erneuten befristeten Beschäftigung dieser Leiharbeitnehmerin für weitere zwei Jahre. Dieser verweigerte die Zustimmung, weil deutsches Arbeitsrecht und Europarecht jedenfalls seit Dezember 2011 nur die vorübergehende Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zur Abdeckung von Auftragsspitzen oder zeitlich begrenztem Vertretungsbedarf erlaube. Da eine Einstellung nur mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgen darf, hat die Arbeitgeberin die gerichtliche Zustimmungsersetzung beantragt, aber vom Arbeitsgericht nicht erhalten. Das gab dem Betriebsrat Recht. Die Beschwerde der Arbeitgeberin blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Ein Leiharbeitnehmer darf bei objektiv dauerhaft anfallender Arbeit nur zu deren aushilfsweiser Wahrnehmung herangezogen werden. Andernfalls ist sein Einsatz nicht mehr „vorübergehend“. Das gilt auch, wenn der Leiharbeitnehmer beim Entleiher – befristet oder unbefristet beschäftigt – Daueraufgaben erfüllt, ohne einen Stammarbeitnehmer abgelöst zu haben. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und die europäische Leiharbeitsrichtlinie erlauben seit dem 1.12.2011 nur eine „vorübergehende“ Beschäftigung von Leiharbeitnehmern und verbieten den Missbrauch von Leiharbeit. Mit diesem Argument kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung eines Leiharbeitnehmers verweigern.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 8.01.2014, Aktenzeichen 3 TaBV 43/13

07.01.2014 Steuerhinterziehung kann Kündigung rechtfertigen

Wer sein Nettoeinkommen durch eine rechtswidrige Abrechnungspraxis steigert, kann mit einer ordentlichen Kündigung rechnen. Dies gilt auch, wenn er in Kenntnis oder sogar mit Zustimmung des Vorgesetzten handelt. Im zugrunde liegenden Falle war die seit vielen Jahren angestellte Arbeitnehmerin bei der Beklagten, einem überregional tätigen Reinigungsunternehmen als Reinigungskraft, Vorarbeiterin und Objektleiterin beschäftigt. Zumindest bei einem Reinigungsobjekt hat sie dafür gesorgt, dass ihre Arbeit über zwei andere, auf geringfügiger Basis beschäftigte Mitarbeiterinnen abgerechnet wurde und diese der Klägerin das erhaltene Geld dann auszahlten. Als der Geschäftsführer hiervon erfuhr, kündigte die Arbeitgeberin fristlos, hilfsweise ordentlich. Die Klägerin hat, nach Ansicht des Gerichts, mit ihrer Vorgehensweise ihre Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 BGB schwerwiegend verletzt. Sie wusste, dass Gesetze umgangen werden. Die Schwere der Verfehlung und die Vorbildfunktion der Klägerin überwogen trotz langjähriger Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung und im Übrigen beanstandungsfreier Tätigkeit. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es in diesem konkreten Fall nicht. Die Klägerin hat mit ihrem Verhalten in erster Linie sich selbst begünstigt und konnte nicht ernsthaft glauben, dass die vom Betriebsleiter gut geheißene Praxis von der auswärtigen Geschäftsführung gebilligt werden würde.

Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 07.01.2014, Aktenzeichen 2 Ca 1793 a/13

19.12.2013 Nachtzuschlag bei Betriebsratstätigkeit in Tagschicht

Betriebsratsmitglieder erhalten – auch ohne nachts zu arbeiten – Nachtzuschläge, wenn vergleichbare Arbeitnehmer für ihre Arbeit Nachtzuschläge erhalten haben und das Betriebsratsmitglied ohne die Übernahme der Betriebsratstätigkeit ebenso in der Nacht gearbeitet hätte. Begründet wird dies im Wesentlichen mit § 37 Abs. 4 BetrVG. Danach darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Das Betriebsratsmitglied müsse daher so gestellt werden, als ob es keine Amtstätigkeit ausgeübt hätte.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 19.12.2013, Aktenzeichen 12 Sa 682/13

19.12.2013 Entlassung wg. HIV-Infektion ist diskriminierend

Die Richter des Bundesarbeitsgerichts haben eine HIV-Infektion einer Behinderung gleichgesetzt. Damit stehen betroffene Arbeitnehmer unter besonderem Diskriminierungsschutz; was eine Kündigung für Arbeitgeber - auch in der Probezeit - erschwert. Die Richter stellten zunächst klar, dass auch chronische Erkrankungen zu einer Behinderung führen können. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt jedoch Diskriminierungen u.a. wegen einer Behinderung. Ein Arbeitnehmer, der an einer symptomlosen HIV-Infektion erkrankt ist, ist in diesem Sinn behindert. Daher gilt: Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines solchen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG wegen der HIV-Infektion, ist die Kündigung im Regelfall diskriminierend und damit unwirksam. Dies gilt zumindest dann, wenn der Arbeitgeber durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Arbeitnehmers trotz seiner Behinderung ermöglichen kann.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.12.2013, Aktenzeichen 6 AZR 190/12

18.12.2013 Konfessionsloser Bewerber erhält Entschädigung

Ein konfessionsloser Bewerber um eine Stelle bei einem kirchlichen Arbeitgeber hat Anspruch auf Entschädigung, wenn er aufgrund seiner fehlenden Kirchenmitgliedschaft abgelehnt wurde. Im zugrunde liegenden Falle wurde eine Benachteiligung der Bewerberin wegen ihrer Religion angenommen. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts darf ein Arbeitgeber eine Einstellung nur von einer Kirchenmitgliedschaft abhängig machen, wenn es sich um eine "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung" handelt. Ebenso kann sich ein Arbeitgeber in Bezug auf die Besetzung einer Stelle nicht auf das nach Art. 140 GG garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen berufen.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 18.12.2013, Aktenzeichen 54 Ca 6322/13

06.12.2013 Fristlose Kündigung bei sexueller Belästigung

Fragt ein langjährig Beschäftigter eine Auszubildende nach der Echtheit ihrer Oberweite und berührt anschließend deren Brust, so stellt dieses Verhalten eine sexuelle Belästigungen nach dem AGG dar, welches den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung berechtigt. Sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AG stellen nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie sind „an sich“ als wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Und auch das AGG geht nicht davon aus, dass die Belästigte den Störer zunächst „abmahnen“ muss, so die Richter in ihrer Begründung. Gerade in Bezug auf Auszubildende sei eine gesteigerte Fürsorgepflicht in Anspruch zu nehmen. Dem konnte auch nicht entgegen stehen, dass der die Auszubildende Belästigende ausgesprochen lange und unstreitig beanstandungsfrei dem Betrieb zugehörig, seinen Unterhaltsverpflichtungen nachkommen musste und bereits 53 Jahre alt war.

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 06.12.2013, Aktenzeichen 6 Sa 391/13

28.11.2013 Körpergröße bei Piloten

Das Arbeitsgericht Köln hat entschieden, dass die tarifliche Regelung einer notwendigen Körpergröße von 165 cm bis 198 cm für Pilotinnen und Piloten weibliche Bewerber mittelbar diskriminiert, da diese Regelung deutlich mehr Frauen als Männer von der Pilotenausbildung ausschließe. Eine sachliche Rechtfertigung der Mindestgröße habe das beklagte Luftfahrtunternehmen nicht darlegen können, zumal bei einem Schwesterunternehmen eine Mindestgröße von nur 160 cm ausreiche. Von einer Europarechtswidrigkeit der Vorschrift des § 15 Abs. 3 AGG ist das Gericht jedoch nicht ausgegangen.

Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 28.11.2013, Aktenzeichen 15 Ca 3879/13

13.11.2013 Sonderzahlung mit Mischcharakter - Stichtag

Eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Im zugrunde liegenden Falle hatten die Parteien über einen Anspruch auf eine als „Weihnachtsgratifikation“ bezeichnete Sonderzahlung für das Jahr 2010 gestritten. Der Kläger war seit 2006 bei der Beklagten, einem Verlag, als Controller beschäftigt. Er erhielt jährlich mit dem Novembergehalt eine als Gratifikation, ab dem Jahr 2007 als Weihnachtsgratifikation bezeichnete Sonderzahlung in Höhe des jeweiligen Novemberentgelts. Die Beklagte übersandte jeweils im Herbst eines Jahres ein Schreiben an alle Arbeitnehmer, in dem „Richtlinien“ der Auszahlung aufgeführt waren. In dem Schreiben für das Jahr 2010 hieß es ua., die Zahlung erfolge „an Verlagsangehörige, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis“ befänden; Verlagsangehörige sollten für jeden Kalendermonat mit einer bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehalts erhalten. Im Lauf des Jahres eintretende Arbeitnehmer erhielten die Sonderzahlung nach den Richtlinien anteilig. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund seiner Kündigung am 30. September 2010. Mit der Klage hat er anteilige (9/12) Zahlung der Sonderleistung begehrt. In derartigen Fällen sind Stichtagsregelungen wie die in den Richtlinien vereinbarte nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klausel ist unangemessen benachteiligend. Sie steht im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, weil sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entzieht. Der Vergütungsanspruch wurde nach den Richtlinien monatlich anteilig erworben. Anhaltspunkte dafür, dass die Sonderzahlung Gegenleistung vornehmlich für Zeiten nach dem Ausscheiden des Klägers oder für besondere - vom Kläger nicht erbrachte - Arbeitsleistungen sein sollte, sind nicht ersichtlich.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. November 2013, Aktenzeichen 10 AZR 848/12

18.10.2013 Kein Anspruch auf „Weihnachtsgeschenk“

Ein Arbeitnehmer, der an einer betrieblichen Weihnachtsfeier nicht teilgenommen hat, hat keinen Anspruch auf das bei dieser Gelegenheit an die anwesenden Mitarbeiter verschenkte iPad mini im Wert von ca. 400 EUR hat. Der Arbeitgeber, ein Handelsunternehmen mit ca. 100 Mitarbeitern, wollte mit dieser nicht angekündigten Geschenkaktion die in der Vergangenheit geringe Teilnehmerzahl an Betriebsfeiern steigern und hat das iPad deshalb nur an die anwesenden ca. 75 Mitarbeiter bei der Weihnachtsfeier 2012 vergeben. Der klagende Arbeitnehmer, der zum Zeitpunkt der Weihnachtsfeier arbeitsunfähig war, berief sich auf die Gleichbehandlung und sah das iPad zudem als Vergütung an, die ihm auch während seiner Krankheit zustehe. Dem folgte das Gericht nicht: Der Arbeitgeber habe mit seiner „Überraschung“ ein freiwilliges Engagement außerhalb der Arbeitszeit belohnen wollen. Deshalb handele es sich um eine Zuwendung eigener Art, die nicht mit einer Vergütung für geleistete Arbeit zu vergleichen sei. Der Arbeitgeber sei bei solchen Zuwendungen auch berechtigt, die Mitarbeiter unterschiedlich zu behandeln, wenn er damit das Ziel verfolgt, die Betriebsfeiern attraktiver zu gestalten und die Mitarbeiter zur Teilnahme zu motivieren. Gegen die Entscheidung kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 18.10.2013, Aktenzeichen 3 Ca 1819/13

17.10.2013 Kündigung in Unkenntnis der Schwangerschaft

Wird einer Arbeitnehmerin in der Probezeit gekündigt, ohne dass der Arbeitgeber von ihrer Schwangerschaft wußte, liegt darin keine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts. Eine solche liegt auch nicht vor, wenn der Arbeitgeber später in Kenntnis der Schwangerschaft an der Kündigung festhält. Die Kündigung im zugrunde liegenden Falle konnte nach Auffassung des Gerichts schon deswegen keine Benachteiligung der gekündigten Schwangeren aufgrund ihres weiblichen Geschlechts sein, weil die Arbeitgeberin bei der Erklärung der Kündigung keine Information über die Schwangerschaft der Klägerin hatte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2013, Aktenzeichen 8 AZR 742/12

26.09.2013 Arbeitnehmer muss Detektivkosten erstatten

Erhärtet sich durch den Einsatz eines Privatdetektivs der Verdacht, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nur vortäuscht, kann der "Blaumacher" in der Regel fristlos entlassen werden. Ein Urteil des BAG spricht dem Arbeitgeber darüber hinaus auch einen grundsätzlichen Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten zu. im zugrunde liegenden Falle hatte ein Busfahrer sich wiederholt und teilweise wochenlang krankschreiben lassen. Dabei weigerte er sich beharrlich, an einer Untersuchung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) teilzunehmen. Der mittlerweile sehr misstrauische Arbeitgeber beauftragte einen Privatdetektiv. Und tatsächlich beobachtete dieser, wie der krankgeschriebene Busfahrer im Bistro seines Schwiegervaters mitarbeitete und dabei auch schwere Getränkekisten trug. Daraufhin forderte der Arbeitgeber den Mann erneut auf, sich vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) untersuchen zu lassen. Als dieser der Aufforderung wieder nicht nachkam, engagierte die Firma den Privatdetektiv noch einmal. Wieder beobachtete der Detektiv, dass der krankgeschriebene Busfahrer im Bistro mithalf und außerdem Bier und Spirituosen zu sich nahm. Das Busunternehmen kündigte seinem Mitarbeiter schließlich fristlos und forderte außerdem die Erstattung der Detektivkosten von insgesamt knapp 13.000 Euro. Die erste und zweite Instanz sahen die fristlose Kündigung als wirksam an und vertraten hinsichtlich der Detektivkosten eine nach dem ersten und dem zweiten Detektiveinsatz differenzierende Lösung: Denn nur für den zweiten Detektiveinsatz soll eine Erstattungspflicht bestehen. Anders als bei der ersten Beauftragung habe zu diesem Zeitpunkt ein konkreter Verdacht bestanden. Außerdem habe der Detektiv bei der Gelegenheit zumindest ein genesungswidriges Verhalten beobachtet. Dementsprechend sei eine Verdachtskündigung gerechtfertigt gewesen. Die Richter des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden, dass grundsätzlich eine Erstattungspflicht besteht. Sie führen aus, dass dies jedenfalls dann gilt, wenn die Beauftragung aufgrund eines konkreten Tatverdachts geschieht und der Arbeitnehmer entweder einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird oder zumindest der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht. Den Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens habe das Landesarbeitsgericht (LAG) aber nicht festgestellt. Es komme im Übrigen nicht maßgeblich darauf an, ob sich der Arbeitnehmer genesungswidrig verhalten hat. Vielmehr sei allein darauf abzustellen, ob er ein Verhalten an den Tag gelegt hat, welches nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht auf Arbeitsunfähigkeit schließen läßt und damit den Verdacht eines Betrugs begründet und nährt. Dementsprechend hoben die BAG-Richter das Urteil des LAG auf und verwiesen es zur Neuentscheidung an dieses zurück.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2013, Aktenzeichen 8 AZR 1026/12

25.09.2013 Nutzungsverpflichtung elektronischer Signaturkarten

Ein Arbeitgeber kann von seinem Arbeitnehmer die Beantragung einer qualifizierten elektronischen Signatur und die Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verlangen, wenn dies für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich und dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Die Klägerin ist als Verwaltungsangestellte im Wasser- und Schifffahrtsamt Cuxhaven beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehört die Veröffentlichung von Ausschreibungen bei Vergabeverfahren. Seit dem 1.1.2010 erfolgen diese Veröffentlichungen nur noch in elektronischer Form auf der Vergabeplattform des Bundes. Zur Nutzung wird eine qualifizierte elektronische Signatur benötigt, die nach den Be-stimmungen des Signaturgesetzes (SigG) nur natürlichen Personen erteilt wird. Die Beklagte wies daraufhin die Klägerin an, eine solche qualifizierte Signatur bei einer vom SigG vorgesehenen Zertifizierungsstelle, einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, zu beantragen. Dazu müssen die im Personalausweis enthaltenen Daten zur Identitätsfeststellung an die Zertifizierungsstelle übermittelt werden. Die Kosten für die Beantragung trägt die Arbeitgeberin. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber könne sie nicht verpflichten, ihre persönlichen Daten an Dritte zu übermitteln; dies verstoße gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch sei nicht sichergestellt, dass mit ihren Daten kein Missbrauch getrieben werde. Die Beklagte hat von ihrem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht (§ 106 GewO) angemessen Gebrauch gemacht. Der mit der Verpflichtung zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist der Klägerin zumutbar. Die Übermittlung der Personalausweisdaten betrifft nur den äußeren Bereich der Privatsphäre; besonders sensible Daten sind nicht betroffen. Der Schutz dieser Daten wird durch die Vorschriften des SigG sichergestellt; sie werden nur durch die Zertifizierungsstelle genutzt. Auch durch den Einsatz der Signaturkarte entstehen für die Klägerin keine besonderen Risiken. So enthält die mit dem Personalrat abgeschlossene Dienstvereinbarung ausdrücklich eine Haftungsfreistellung; die gewonnenen Daten dürfen nicht zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch den Arbeitgeber verwendet werden.

Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 25.09.2013, Aktenzeichen 10 AZR 270/12

29.08.2013 Keinen Arbeitsplatz im Ausland anbieten

Die aus § 1 Abs. 2 KSchG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung - ggf. im Wege der Änderungskündigung - eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch zu erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzubieten, bezieht sich grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes ist gemäß § 23 Abs. 1 KSchG nur auf Betriebe anzuwenden, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. In diesem Sinne muss auch der Betriebsbegriff in § 1 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 KSchG verstanden werden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.08.2013, Aktenzeichen 2 AZR 809/12

20.08.2013 Verletzung durch Kollegen: 25.000 € Schmerzensgeld

Am 24. Februar 2011 war der Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits in seinem Ausbildungsbetrieb, einer Kfz-Werkstatt in Bad Homburg, mit dem Auswuchten von Autoreifen beschäftigt. Der zum damaligen Zeitpunkt 18-jährige Kläger, ebenfalls Auszubildender, stand etwa 10 m weiter weg. Der Beklagte warf ohne Vorwarnung ein etwa 10 g schweres Wuchtgewicht aus Aluminium in Richtung des Klägers und traf ihn am linken Auge, am Augenlid und an der linken Schläfe. Der Kläger trug eine Hornhautverletzung und eine Oberlidrandverletzung davon. Er wurde mehrfach operiert. Ihm wurde eine künstliche Augenlinse eingesetzt. Wegen der verbliebenen Hornhautnarbe leidet der Kläger an einer dauerhaften Sehverschlechterung und dem Verlust des räumlichen Sehvermögens. Der Kläger hat den Beklagten deshalb auf Schmerzensgeld und die Feststellung in Anspruch genommen, dass dieser auch zukünftig jeden Schaden aus dem schädigenden Ereignis ersetzen muss. Das Arbeitsgericht und ihm folgend das Hessische Landesarbeitsgericht haben der Klage insoweit stattgegeben und den Beklagten zu einem Schmerzensgeld von 25.000 € verurteilt. Nach der Überzeugung des Hessischen Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte den Kläger fahrlässig an dessen Gesundheit geschädigt. Der Beklagte hätte wissen können und müssen, dass ein kraftvoller Wurf mit einem Wuchtgewicht eine solche Verletzung hervorrufen kann. Der Beklagte sei auch nicht von seiner Haftung befreit gewesen, weil es sich bei dem Wurf gerade nicht um eine betriebliche Tätigkeit im Rechtssinne gehandelt habe, bei der für Personenschäden nur für Vorsatz, nicht aber für Fahrlässigkeit gehaftet wird. Das Herumwerfen von Wuchtgewichten in einem Kfz-Betrieb sei vielmehr dem persönlich-privaten Bereich zuzuordnen, für den ein Arbeitnehmer in vollem Umfang hafte. Bei der Höhe des Schmerzensgeldes ließ sich das Hessische Landesarbeitsgericht insbesondere von den erlittenen Schmerzen, der dauerhaften Beeinträchtigung der Lebensführung des Klägers leiten und dem Risiko weiterer Verschlechterungen des Augenlichts.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 20.8.2013, Aktenzeichen 13 Sa 269/13

05.08.2013 Fristlose Kündigung bei unbefugter Datenlöschung

Die fristlose Kündigung eines Account-Managers, der von seinem Benutzer-Account im Betrieb zahlreiche Daten des Arbeitgebers eigenmächtig gelöscht hat, ist gerechtfertigt. Dieses Verhalten stellt einen so erheblichen Verstoß gegen selbstverständliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag dar, dass die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu beanstanden ist. Im zugrunde liegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten, einem Unternehmen der EDV-Branche, als Account-Manager beschäftigt. Nach den Ermittlungen eines gerichtlich eingesetzten Sachverständigen hatte der Mann an zwei aufeinander folgenden Tagen von seinem Benutzer-Account im Betrieb ca. 80 eigene Dateien gelöscht und weitere 374 Objekte; nämlich 144 Kontakte, 51 E-Mails, 167 Aufgaben und 12 Termine. Hintergrund waren laufende Verhandlungen der Parteien um die Abänderung bzw. Aufhebung seines Arbeitsvertrages. Als die Arbeitgeberin einen Tag später die Löschungen entdeckte, kündigte sie dem Kläger fristlos, hilfsweise ordentlich. Die Richter waren nun der Ansicht, dass das Fehlverhalten des Account-Managers seine fristlose Kündigung rechtfertigt. Die umfangreiche Datenlöschung hat das Vertrauen in die Integrität des Klägers vollständig zerstört. Die Daten stehen in der Verfügungsmacht des Arbeitgebers. Eine eigenmächtige Löschung durch einen Arbeitnehmer mit den sich daraus ergebenden internen Problemen und gegenüber Kunden ist ein so erheblicher Verstoß gegen selbstverständliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag, dass die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist. Auch eine Abmahnung, die in der Regel einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen vorangehen muss, ist hier nicht notwendig gewesen. Der Kläger hat genau gewusst, dass die Löschung der Daten von der Arbeitgeberin auf keinen Fall hingenommen werden würde.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 05.08.2013, Aktenzeichen 7 Sa 1060/10

01.08.2013 Scheinverträge bei der Daimler AG

Im zugrunde liegenden Falle hatte die Daimler AG Mitarbeiter eines IT-Dienstleisters mit Scheinwerk- bzw. Scheindienstverträgen beschäftigt. Die Kläger hatten mit einem IT-Systemhaus Verträge als freie Mitarbeiter. Dieses IT-Systemhaus ist ein Subunternehmen eines führenden Dienstleisters für Informationstechnologie, der die Kläger im Rahmen eines Werkvertrages mit der Daimler AG ausschließlich bei der Daimler AG eingesetzt hat. Beide Kläger arbeiteten aufgrund solcher Verträge von 2001 bis Ende 2011 als IT-Fachkräfte bei der Daimler AG für den IT-Support in der Abteilung Treasury (Finanzabteilung). Dort betreuten sie die EDV und waren insbesondere für die Funktionsfähigkeit der Computerarbeitsplätze zuständig. Die Kläger waren der Auffassung, dass sie Arbeitnehmer der Daimler AG seien. Sie seien in den Betrieb der Beklagten eingegliedert und deren Weisungen unterworfen gewesen. Die Daimler Ag hingegen war der Meinung, dass die Kläger eben keine Arbeitnehmer seien. Die Kläger hätten keine Weisungen und Arbeitsaufträge von der der Daimler AG erhalten. Die Beauftragung der Kläger sei vielmehr im Rahmen eines Ticketsystems erfolgt, in dem Beschäftigte der Beklagten EDV-spezifische Aufträge erteilt hätten. Vor diesem Hintergrund muss festgestellt werden, dass es bei der rechtlichen Unterscheidung zwischen Werk-/Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung vor allem darauf ankommt, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten (hier: Daimler) eingegliedert sind und vom Dritten arbeitsvertragliche Weisungen erhalten. Wenn dies der Fall ist, ist stets von einer Arbeitnehmerüberlassung auszugehen. Dabei kommt es nicht auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmer (hier: IT-Dienstleister) und dem Dritten an, wenn die Vertragsverhältnisse tatsächlich so nicht gelebt worden sind. Wiederum bezogen auf den konkreten Fall ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass die Kläger, die jahrelang in den Betriebsräumen mit Betriebsmitteln der Beklagten für diese tätig gewesen sind, bei der Daimler AG eingegliedert waren. Sie haben auch von der Beklagten viele arbeitsvertragliche Weisungen erhalten.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 01.08.2013, Aktenezeichen 2 Sa 6/13

24.07.2013 Ein Fall der Arbeitnehmerüberlassung

Wenn ein Dienstleistungsunternehmen einen Mitarbeiter bei einer Kundenfirma einsetzt, dieser aber weitgehend in die dortige Arbeitsorganisation integriert wird, handelt es sich um einen Fall von Arbeitnehmerüberlassung. Wenn hierfür keine Erlaubnis vorliegt, greift die gesetzliche Fiktion eines Arbeitsverhältnisses. Im zugrunde liegenden Falle stand der Kläger bei einem Reinigungsunternehmen in einem Arbeitsverhältnis. Dieses Reinigungsunternehmen hatte mit der Beklagten eine Rahmenvereinbarung über Dienstleistungstätigkeiten im Reinigungsbereich geschlossen. Der Kläger wurde von der Reinigungsfirma im Bereich Facility-Management der Beklagten, worüber keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, schwerpunktmäßig mit den Tätigkeiten Wareneingang, Poststelle sowie Hausmeistertätigkeiten eingesetzt.Von der Beklagten erhielt der Kläger auch Sicherheitsschuhe und eine Windjacke, welche auch anderen Mitarbeitern der Beklagten im Facility-Management überlassen wurde. Der Kläger hatte schlussendlich gegen die Beklagte Klage erhoben, um feststellen zu lassen, dass das Arbeitsverhältnis nicht zwischen ihm und der Reinigungsfirma besteht, sondern zwischen ihm und der Beklagten, weil die Reinigungsfirma Arbeitnehmerüberlassung betreibe, ohne die dafür vorgeschriebene Erlaubnis zu haben.

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 24.07.2013, Aktenzeichen 3 Sa 1749/12

10.07.2013 Zustimmungsverweigerung zu dauerhafter Leiharbeit

Gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ist der Betriebsrat eines Entleiherbetriebs vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu beteiligen. Nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kann er seine Zustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers u.a. dann verweigern, wenn diese gegen ein Gesetz verstößt. Verweigert ein Betriebsrat seine Zustimmung, kann der Arbeitgeber nach § 99 Abs. 4 BetrVG beim Arbeitsgericht die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung beantragen. In diesem Verfahren wird geprüft, ob die Zustimmungsverweigerung berechtigt ist. Maßgeblich hierfür ist die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Rechtslage. Ein Gesetz iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist auch § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG in der seit dem 1.12.2011 geltenden Fassung. Danach erfolgt die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher „vorübergehend“. Die Bestimmung enthält nicht lediglich einen unverbindlichen Programmsatz, sondern untersagt die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. Sie dient zum einen dem Schutz der Leiharbeitnehmer. Zum anderen soll sie auch die dauerhafte Aufspaltung der Belegschaft des Entleiherbetriebs in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft verhindern. Der Betriebsrat des Entleiherbetriebs kann daher seine Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern verweigern, wenn diese im Entleiherbetrieb nicht nur vorübergehend beschäftigt werden sollen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und ggf. welche Rechtsfolgen sich aus einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG für das Rechtsverhältnis des einzelnen Leiharbeitnehmers zum Entleiher ergeben.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10.7.2013, Aktenzeichen 7 ABR 91/11

20.06.2013 Bestimmtheit einer ordentlichen Kündigung

Eine Kündigung muss bestimmt und unmissverständlich erklärt werden. Der Empfänger einer ordentlichen Kündigungserklärung muss erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Regelmäßig genügt hierfür die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ausreichend ist aber auch ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen Fristenregelungen, wenn der Erklärungsempfänger hierdurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013, Aktenzeichen 6 AZR 805/11

20.06.2013 Benachteiligung wegen der Weltanschauung

Wird ein Arbeitnehmer wegen seiner Weltanschauung oder wegen bei ihm vermuteter Weltanschauung benachteiligt, kann dies Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auslösen. Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass Indizien vorgetragen und bewiesen werden, die auf die Benachteiligung wegen einer (vermuteten) Weltanschauung hindeuten. Persönliche Einstellungen, Sympathien oder Haltungen sind keine "Weltanschauung". Im zugrunde liegenden Falle hatte die Klägerin u.a. an der Pekinger Fremdsprachenuniversität Germanistik studiert. Mitglied einer politischen Partei war und ist sie nicht. Seit 1987 ist sie für die beklagte Rundfunkanstalt als arbeitnehmerähnliche Person in der China-Redaktion beschäftigt, wobei der letzte Honorarrahmenvertrag bis zum 31.12.2010 befristet war. Die Klägerin bearbeitete als Redakteurin vorwiegend nicht-politische Themen. Im April 2010 bewarb sie sich erfolglos für eine Festanstellung. Ende Juni 2010 teilte die Beklagte mit, dass sie über das Jahresende 2010 hinaus den befristeten Honorarrahmenvertrag nicht mehr verlängern werde. Die Klägerin erhielt die in diesem Fall vorgesehenen tariflichen Leistungen. Sie macht geltend, sie sei von der Beklagten benachteiligt worden, weil ihr diese - unzutreffend - eine Weltanschauung unterstellt habe. Die Beklagte habe bei ihr „Sympathie für die Volksrepublik China" vermutet und "damit Unterstützung für die KP China". Ihre Entlassung sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte angenommen habe, "sie sei gegenüber der Volksrepublik China zu regierungsfreundlich". Die Beklagte habe sie daher wegen einer unterstellten, in der Sache aber nicht gegebenen Weltanschauung diskriminiert. Es kann dahinstehen, ob und wo heute noch eine "kommunistische Weltanschauung" o.ä. existiert. Unbestritten lehnt die Klägerin derartiges für sich ab und ist auch nicht Mitglied der KP China. Sofern sie der beklagten Rundfunkanstalt vorhält, diese sei davon ausgegangen, sie hege Sympathie für die Volksrepublik China und berichte freundlich über deren Regierung, trägt sie keine Tatsachen vor, die den Schluss darauf zulassen, sie sei wegen einer ihr unterstellten Weltanschauung benachteiligt worden. Selbst wenn die Beklagte im Rahmen der ihr grundrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit eine stärkere journalistische Distanz zu der Regierung in Peking durchsetzen wollte und deswegen die Zusammenarbeit mit der Klägerin beendet hätte, indizierte dies nicht, dass die Beklagte der Klägerin eine Weltanschauung unterstellt hätte. Im Übrigen bedeutet Sympathie für ein Land nicht Sympathie für eine die Regierung tragende Partei; schon gar nicht kann nach der Lebenserfahrung angenommen werden, dass deren weltanschauliche Fundierung, so sie eine hat, vom Sympathisanten geteilt wird. Der Senat hat daher wie die Vorinstanzen die Klage als unschlüssig abgewiesen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013, Aktenzeichen 8 AZR 482/12

13.06.2013 Verdachtskündigung in der Regel nicht zulässig

Eine Kündigung während der Elternzeit kann in besonderen Fällen durch die Aufsichtsbehörde für zulässig erklärt werden; dies gilt aber in der Regel nicht für eine Verdachtskündigung. Im zugrunde liegenden Falle unterstellte der Arbeitgeber seiner Mitarbeiterin, dass diese eine Einzahlung von 500 Euro nicht vorgenommen hatte. Er bestritt den Betrag erhalten zu haben und bezichtigte die Frau der Unterschlagung. Diese argumentierte, der Geldbetrag sei wohl fehlgebucht worden. Der Arbeitgeber wollte daraufhin der Frau, die sich zu diesem Zeitpunkt in Elternzeit befand - kündigen und beantragte die Zustimmung. Als diese von der zuständigen Aufsichtsbehörde verweigert wurde, klagte er. Auch das Gericht stellte sich auf die Seite der Frau. Bei einer Kündigung im Rahmen einer Elternzeit sind besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Diese ist nur in besonderen Fällen möglich, zum Beispiel dann, wenn außergewöhnliche Umstände das Zurücktreten der Interessen des Arbeitnehmers hinter die des Arbeitgebers rechtfertigten. Das Gesetz betrachtet hier die Interessen des Arbeitnehmers grundsätzlich als vorrangig. Auch bei einer beabsichtigten Kündigung wegen persönlichen Verhaltens ist daher ein sehr strenger Maßstab anzulegen. Ein besonderer Fall können schwere Pflichtverstöße des Mitarbeiters sein, etwa betriebsbedingte Straftaten oder beharrlich wiederholte, schwerwiegende Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten. In Betracht kommen strafbare Handlungen wie etwa Diebstahl, Betrug, Unterschlagung oder Beleidigung. Jedoch reicht alleine der Verdacht einer strafbaren Handlung in der Regel nicht für die Annahme eines besonderen Falles aus. Im vorliegenden Fall kann – so die Richter - nicht ausgeschlossen werden, dass das Geld den Arbeitgeber doch erreicht hat.

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.06.2013, Aktenzeichen 12 A 1659/12

28.05.2013 Rückzahlungsklausel von Fortbildungskosten

Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Rückzahlung von Ausbildungskosten für jeden Fall einer vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung vorsehen, ohne Kündigungen des Arbeitnehmers auszunehmen, die aus Gründen erfolgen, die der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen sind, benachteiligen den Arbeitnehmer unangemessen und sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Ist eine Rückzahlungsklausel wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, kann der Arbeitgeber die Erstattung der aufgewandten Ausbildungskosten regelmäßig nicht nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB verlangen. Dem stehen Sinn und Zweck des Rechtsfolgensystems des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegen.

Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 28.05.2013, Aktenzeichen 3 AZR 103/12

15.05.2013 Dauer der Arbeitszeit bei fehlender Vereinbarung

Ist in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt, so gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart. Nach ihr bemessen sich die Pflichten des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Diese Grundsätze gelten auch für außertarifliche Angestellte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2013, Aktenzeichen 10 AZR 325/12

15.05.2013 Einhalten betriebsüblicher Arbeitszeiten

Ist in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht niedergeschrieben, so gilt die betriebsübliche Arbeitszeit. Unterschreitet der Arbeitnehmer diese Zeit, so kann der Arbeitgeber das Gehalt kürzen. Das gilt ebenso für außertarifliche Angestellte. Gleiches gilt, wenn im Arbeitsvertrag lediglich geregelt ist, dass der Arbeitnehmer auch außerhalb der betriebsüblichen Zeiten tätig werden muss. Unterschreitet der Arbeitnehmer die betriebsüblichen Zeiten, kann die Vergütung geringer ausfallen. Dies musste auch eine Referentin erfahren, die zu einem Jahresgehalt von 95.000 Euro brutto als außertarifliche Mitarbeiterin für ein Unternehmen tätig war. In ihrem Arbeitsvertrag hieß es, sie sei „im Rahmen ihrer Aufgabenstellung verpflichtet, auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig zu werden.“ Im Herbst 2010 hatte die Arbeitnehmerin nach Aussage ihres Arbeitgebers nahezu 700 Minusstunden angesammelt. Seit Oktober 2010 war sie aufgefordert worden , eine tägliche Arbeitszeit von 7,6 Stunden täglich und 38 Stunden wöchentlich einzuhalten. Als die Klägerin das nicht erfüllte, im Dezember nur 19,8 Stunden und im Januar nur 5,5, Stunden im Betrieb gearbeitet habe, kürzte die Firma das Gehalt bis Januar 2011 um insgesamt 7000 Euro brutto. Nach Auffassung der Referentin sei ihre Arbeit nicht in Zeit zu bemessen, sie erfülle ihre Arbeitspflicht allein durch die Erledigung der ihr übertragenen Aufgaben. Nur weil keine Regelungen zur Arbeitszeit im Arbeitsvertrag festgehalten sind, heißt dies nicht, dass die Arbeitnehmerin vollkommen frei ist. Der Arbeitsvertrag setzt als Maß der zu verrichtenden Arbeit die betriebsübliche Arbeitszeit voraus. Daher ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, Vergütung zu leisten für Zeiten, in denen die Klägerin gar nicht gearbeitet hat.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Mai 2013, Aktenzeichen 10 AZR 325/12

14.05.2013 Verzicht auf Urlaubsabgeltung

Ist das Arbeitsverhältnis beendet und ein Anspruch des Arbeitnehmers gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs entstanden, kann der Arbeitnehmer auf diesen Anspruch grundsätzlich verzichten. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG kann von der Regelung in § 7 Abs. 4 BUrlG, wonach der Urlaub abzugelten ist, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, zwar nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Jedoch hindert diese Regelung nur einzelvertragliche Abreden, die das Entstehen von Urlaubsabgeltungsansprüchen ausschließen. Hatte der Arbeitnehmer die Möglichkeit, Urlaubsabgeltung in Anspruch zu nehmen und sieht er davon ab, steht auch Unionsrecht einem Verzicht des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung nicht entgegen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.05.2013, Aktenzeichen 9 AZR 844/11

25.04.2013 Kündigung wegen Kirchenaustritts

Der Austritt eines Mitarbeiters einer von einem katholischen Caritasverband getragenen Kinderbetreuungsstätte aus der katholischen Kirche kann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbst. Dieses Recht kommt neben den verfassten Kirchen auch den ihnen zugeordneten karitativen Einrichtungen zu. Es ermöglicht ihnen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst auch im Rahmen privatrechtlich begründeter Arbeitsverhältnisse entsprechend ihrem Selbstverständnis zu regeln. Nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse von 1993 ist der Austritt aus der katholischen Kirche ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß, der eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters nicht zulässt. Im Kündigungsschutzprozess haben die Arbeitsgerichte zwischen den Grundrechten der Arbeitnehmer - etwa auf Glaubens- und Gewissensfreiheit - und dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaft abzuwägen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.04.2013, Aktenzeichen 2 AZR 579/12

25.04.2013 Diskriminierung Homosexueller

Die Diskriminierung von Schwulen und Lesben im Erwerbsleben ist durch verschiedene europäische Richtlinien verboten. Homosexuelle dürfen daher beim Zugang zur Beschäftigung und zu Berufsausbildungen nicht benachteiligt werden. Tätigt eine Person, welche in der Öffentlichkeit als Hauptgeschäftsführer des Arbeitgebers auftritt, also eine Aussage, welche einen Bewerber in seiner sexuellen Ausrichtung diskriminiert (z.B. "Niemals würde ich ... einen Homosexuellen in die Mannschaft aufnehmen."), so ist dies eine Tatsache, welche eine diskriminierende Einstellungspolitik des Arbeitgebers vermuten lässt. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Person tatsächlich nicht am Einstellungsprozess beteiligt ist. Abgesichert wird dieses Prinzip durch eine Beweiserleichterung: Wenn abgelehnte Stellenbewerber vor Gericht Tatsachen beweisen können, die eine verbotene Diskriminierung wegen seiner sexuellen Identität vermuten lassen, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass die Benachteiligung sachlich gerechtfertigt war. Der Arbeitgeber genügt im Beispielsfall seiner Darlegungs- und Beweislast nicht, indem er geltend macht, die Person, von der die Aussage stammt, gehöre nicht dem Management des Arbeitgebers an. Demgegenüber genügt jedoch ein Bündel übereinstimmender Indizien; insbesondere kann nicht erwartet werden, dass der Arbeitgeber in die Privatsphäre eines Dritten eingreift indem er beweist, bereits in der Vergangenheit homosexuelle Arbeitnehmer eingestellt zu haben.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 25.04.2013, Aktenzeichen C-81/12

18.04.2013 Anspruch auf Unterschrift mit lachendem Smiley

Ein Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Zeugnis ohne Geheimzeichen. Unterzeichnet der Arbeitgeber entgegen seiner Gewohnheit mit einem Smiley mit heruntergezogenem Mundwinkel, so enthält das Zeugnis eine negative Aussage des Arbeitgebers über den Mitarbeiter, die dieser nicht hinnehmen muss. Auch hinsichtlich der Unterschrift unter das Zeugnis gilt § 109 Abs. 2 GewO. Das Zeugnis darf keine Merkmale enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Mit einer Unterschrift, die im ersten Buchstaben einen Smiley mit heruntergezogenen Mundwinkeln enthält, wird eine negative Aussage des Arbeitgebers über den Arbeitnehmer getroffen. Der Arbeitszeugnis-Schreibende hat mit seiner Unterschrift in der Form zu unterzeichnen, wie sie von ihm im Rechtsverkehr gebraucht wird.

Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 18.04.2013, Aktenzeichen 5 Ca 80 b/13

18.04.2013 Smileys im Arbeitszeugnis

Unlängst wurde ein Unternehmer im Streit um das Arbeitszeugnis dazu verurteilt, einen „Smiley mit einem lachenden Gesicht“ aufzunehmen. In Frage stand, ob und insbesondere auf welche Art und Weise ein Arbeitgeber seine Gefühle ob des Ausscheidens eines Arbeitnehmers aus dem Unternehmen kundtun darf. Im konkreten Fall fand sich im Arbeitszeugnis nämlich „geheimes“ Zeichen, und zwar konkret in der Unterschrift des Arbeitgebers: Im ersten Buchstaben, einem „G“, erkannte der ehemals Beschäftigte zwei Punkte und einen nach unten gezogenen Haken. Der Arbeitnehmer folgerte, dies müsse ein Smiley mit negativen Gesichtszügen sein. Dabei unterschrieb der Arbeitgeber im Regelfall sonst immer mit einem Haken nach oben – einem lächelnden Smiley also. Der Ex-Arbeitgeber hingegen meinte, das sei ohne Bedeutung. Seine Unterschrift variiere zwar in gewissen Maßen, aber mit der Sache an sich hätte dies nichts zu tun. In der Regel würde er ohne Smileys unterschreiben. Die zuständigen Richter zogen den Personalausweis des Arbeitgebers zum Vergleich der Unterschriften heran. Dieser enthielt ein lächelndes Smiley. Das „G“ mit dem grinsenden Gesicht sei insofern als Teil der normalen Unterschrift des Arbeitgebers anzusehen, mit der er auch ein Arbeitszeugnis unterschreiben müsse. So verurteilte das Gericht ihn konsequenterweise zum Lächeln, zumindest auf dem Zeugnispapier.

Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 18.04.2013, Aktenzeichen 5 Ca 80 b/13

17.04.2013 Freiwilligkeitsvorbehalt bei Jahressonderzahlung

Wird die Zahlung eines 13. Gehalts im Arbeitsvertrag als „freiwillige Leistung“ bezeichnet, so genügt dieser Hinweis für sich genommen nicht, um einen Anspruch auf die Leistung auszuschließen. Die Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass „die Zahlung eines 13. Gehalts eine freiwillige Leistung der Firma ist, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann“, begründet bei Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB einen unbedingten Anspruch auf Zahlung.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.4.2013, Aktenzeichen 10 AZR 281/12

10.04.2013 Anordnung, Billigung und Duldung von Überstunden

Der Anspruch auf Vergütung von Überstunden setzt neben deren Leistung voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Arbeitnehmer. Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat. Für eine konkludente Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte. Mit der ausdrücklichen oder konkludenten Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben habe, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden fürderhin zu unterbinden. Dazu muss der Arbeitnehmer vortragen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat.

Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 10.04.2013, Aktenzeichen 5 AZR 122/12

05.04.2013 Keine Kündigung bei Beleidigung durch Ehemann

Beleidigt und bedroht der Ehepartner eines Arbeitnehmers dessen Vorgesetzten, so ist das ohne vorherige Abmahnung kein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung. Es sei denn, der Mitarbeiter hätte den Vorfall nachweislich verhindern können. Im zugrunde liegenden Falle hatte eine Altenpflegerin gemäß ihrem Dienstplan zwischen zwei freien Wochenenden ihren Urlaub eingereicht und eine Reise gebucht. Als der Dienstplan ohne vorherige Absprache geändert wurde, rief die Altenpflegerin ihre Pflegedienstleiterin an und beschwerte sich. Während des Gesprächs reichte sie den Hörer an ihren Mann, der der Frau drohte, ihr „eins auf die Fresse zu geben“. Die Firma kündigte das Arbeitsverhältnis mit ordentlicher Kündigungsfrist. Die Richter sahen die Kündigung als unwirksam nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KschG, denn einer verhaltensbedingten Kündigung hätte eine schuldhafte Pflichtverletzung und eine Abmahnung vorausgehen müssen. Beides sahen die Richter in diesem Fall als nicht gegeben an. Auch sahen die Richter in der eigenmächtigen Änderung des Dienstplans einen Eingriff in die Freizeitgestaltung der Klägerin sowie eine Verletzung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.04.2013, Aktenzeichen 10 Sa 2339/12

02.04.2013 Haftung, wenn Trocknungsanlage explodiert

Im zu entscheidenden Fall war der damals 46 Jahre alte Beklagte gelernter Schlosser und seit vielen Jahren praktisch ausschließlich und regelmäßig weisungsunterworfen in einem Milchwerk in Hessen tätig. Das Milchwerk produzierte u.a. Milch- und Kaffeepulver in mehreren Trocknungsanlagen. Am 13. August 2008 hatte der Handwerker den Auftrag, verschiedene Metallteile an einem der Trockentürme anzubringen. Bei laufendem Betrieb schnitt er mit Schweißgerät und Trennschleifer Schlitze in die Außenwand des Trockenturms. Es entstanden Funken und glühende Metalltropfen, die in den Trockenturm tropften. 17 t Milchpulver entzündeten sich explosionsartig. Nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts hat der beklagte Handwerker den Schaden grob fahrlässig verursacht. Es läge auf der Hand, dass bei Schweiß- und Flexarbeiten Funkenflug und heiße Metalltropfen entstehen, die erhitztes Milchpulver zur Entzündung bringen. Der Handwerker könne von Glück sagen, das er zum Zeitpunkt der Explosion gerade selbst kurz abwesend war. Für den entstandenen Schaden hafte er grundsätzlich in vollem Umfang. Für Arbeitnehmer im Rechtssinne gilt diese Haftung allerdings nur unter Berücksichtigung der persönlichen Situation und der Umständen des Einzelfalls. Die Haftung soll den Arbeitnehmer nicht in den wirtschaftlichen Ruin treiben. Diese Grundsätze hat das Hessische Landesarbeitsgericht hier auf den Beklagten angewandt, der zwar kein Arbeitnehmer aber als Handwerker praktisch wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb des Milchwerks eingegliedert war.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Entscheidung vom 2.4.2013, Aktenzeichen 13 Sa 857/12

26.03.2013 (K)ein Fall von Mobbing

Die bei der beklagten Stadt beschäftigte Diplom-Ökonomin ist der Ansicht, sie sei seit dem Jahre 2008 Schikanen ausgesetzt, die sie als Mobbing wertet. Sie begehrt ein Schmerzensgeld in Höhe von 893.000 Euro. Die Klage blieb ohne Erfolg. Mobbing ist das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren durch Kollegen oder Vorgesetzte. Die Besonderheit liegt darin, dass nicht einzelne, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte in einem Prozess zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des Arbeitnehmers führt. Hierfür ist dieser darlegungs- und beweispflichtig. Dies ist der Klägerin nicht gelungen. Zu berücksichtigen war, dass auch länger dauernde Konfliktsituationen im Arbeitsleben vorkommen und der Arbeitgeber sein Direktionsrecht ausüben darf, solange sich nicht eindeutig eine schikanöse Tendenz erkennen lässt. Zu beachten ist auch, dass Verhaltensweisen von Vorgesetzten nur Reaktionen auf Provokationen des vermeintlich gemobbten Arbeitnehmers darstellen können. Im Einzelnen ist das Landesarbeitsgericht u.a. von Folgendem ausgegangen: Nicht jede berechtigte oder überzogene Kritik durch den Arbeitgeber stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar, zumal die Klägerin selbst Kritik in heftiger Form übte. Die Kündigung wegen angeblichen Arbeitszeitbetrugs war kein Mosaikstein eines Mobbingverhaltens. Anlass der Kündigung waren Differenzen zwischen den Arbeitszeitaufzeichnungen der Klägerin und den beobachteten Anwesenheitszeiten. Das Arbeitsgericht hat die Kündigung erst nach Beweisaufnahme für unwirksam erachtet. Nachvollziehbar und vertretbar war es, die Klägerin nach dem Kündigungsschutzprozess vorübergehend räumlich getrennt im Klinikum für einen Prüfauftrag einzusetzen. Die Arbeitgeberin durfte Schulungswünsche der Klägerin, die das Fortbildungsbudget erheblich überschritten, ablehnen. Die Führung eines Abwesenheitsbuches betraf alle Mitarbeiter des Revisionsdienstes und erfolgte mit Zustimmung des Personalrats. Angesichts der Konfliktsituation durfte der Vorgesetzte ein Vier-Augen-Gespräch ablehnen und auf der Teilnahme einer dritten Personen bestehen. Zu berücksichtigen war auch, dass die Klägerin eine Mediation von dem Eingeständnis des angeblichen Mobbing durch die Vorgesetzten abhängig gemacht hatte. Ein Gesamtverhalten, das als Mobbing zu werten ist, konnte im Ergebnis nicht festgestellt werden.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26. März 2013, Aktenzeichen 17 Sa 602/12

25.03.2013 Keine Kündigung bei Diebstahl in Firmenkantine

Wer in seiner fremdverpachteten Firmenkantine Essen stiehlt, darf nicht ohne weiteres fristlos entlassen werden, da hierdurch nicht der Arbeitgeber direkt geschädigt wurde.Im zugrunde liegenden Falle hatte ein Lagerist sich in der Kantine aus einem defekten Automaten ein belegtes Brötchen genommen und nicht an der Kasse bezahlt. Eine Videokamera zeichnete den Diebstahl auf, der zu einer fristlosen Entlassung führte. Laut Urteil schädigte der Lagerist jedoch nicht seinen Arbeitgeber direkt, sondern lediglich den Kantinenbetreiber. Nur wenn der Arbeitgeber von einem diebischen Mitarbeiter unmittelbar geschädigt werde, dürfe ohne Abmahnung fristlos gekündigt werden.

Arbeitsgericht Frankfurt/M., Urteil vom 25.03.2013, Aktenzeichen 7 Ca 418/12

15.03.2013 Spitzenverdienergehalt deckt Rufbereitschaftszeiten ab

Ein Chefarzt hat keinen Anspruch auf gesonderte Vergütung für geleistete Rufbereitschaften und Bereitschaftsdienste, sofern er ein Gesamtgehalt bezieht, das die Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung deutlich überschreitet. Im zugrunde liegenden Falle ist der Kläger als Chefarzt im Krankenhaus der Beklagten beschäftigt. Laut Dienstvertrag erhielt er eine Vergütung von gut 100.000 Euro pro Jahr. Zusätzlich durfte er die Vergütung für wahlärztliche Leistungen sowie Gutachterhonorare privat vereinnahmen – jährlich nochmals rund 20.000 Euro. Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften sollten mit der Vergütung abgegolten sein. In den Jahren 2009 bis 2011 leistete Kläger regelmäßig etwa 15 Rufbereitschaftsdienste monatlich, davon etwa 30 Prozent an Wochenenden und Feiertagen. Er verlangt hierfür Vergütungsnachzahlungen. Es kann offen bleiben, ob die vertragliche Regelung, die eine gesonderte Vergütung ausschließt, wirksam ist. Wäre sie es nicht, kommt grundsätzlich ein Entgeltanspruch aus § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Erforderlich ist dabei eine objektive Vergütungserwartung. Vorliegend fehlte es an der erforderlichen Vergütungserwartung. So schuldet der Kläger als Chefarzt Dienste höherer Art. Daher ist er mit einem leitenden Angestellten vergleichbar. Bei diesen wird jedoch die Vergütung unabhängig von der üblichen Arbeitszeit vereinbart. Mehrarbeit, die sich daraus ergibt, dass der Chefarzt die ihm verantwortlich übertragenen Aufgaben erledigt, ist grundsätzlich mit der vereinbarten Vergütung abgegolten; dies gilt jedenfalls dann, wenn neben dem Gehalt auch noch ein Liquidationsrecht vereinbart ist. So ist es hier im Streitfall. Auch spricht die Höhe der Vergütung gegen das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung. Der Arzt überschreitet mit einem Einkommen von 100.000 Euro jährlich die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich (64.800 Euro im Jahr 2009 und 66.000 Euro in 2010 und 2011). So hat aber bereits das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass abhängig Beschäftigte, die die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreiten, zu den Besserverdienern gehören, die aus Sicht der beteiligten Kreise nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht nach der Erfüllung eines bestimmten Stundensolls beurteilt werden. Soweit der Kläger vorträgt, dass er ohne eine gesonderte Vergütung weniger verdient als ein leitender Oberarzt, überzeugt diese Argumentation nicht. Denn anders als er meint, ist das ihm eingeräumte Liquidationsrecht beim Vergleich der Einkommen heranzuziehen. Das Liquidationsrecht ist regelmäßig Teil der Gesamtvergütung eines Chefarztes, da die bloße tarifliche Vergütung ohne zusätzliche Einnahmemöglichkeiten aus einem Liquidationsrecht keine angemessene Honorierung darstellt.

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 15.03.2013, Aktenzeichen 18 Sa 1802/12

13.03.2013 Betriebsratswahl und Leiharbeit

Ob in einem Unternehmen ein Betriebsrat gegründet werden kann und wie groß das Betriebsratsgremium ist, hängt von der Zahl der Arbeitnehmer ab. Ab sofort sind auch Leiharbeitnehmer bei der für die Größe des Betriebsrats maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer eines Betriebs grundsätzlich zu berücksichtigen. Nach § 9 Satz 1 BetrVG richtet sich die Zahl der Mitglieder des Betriebsrats nach der Anzahl der im Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer. Bei 5 bis 100 Arbeitnehmern kommt es darüber hinaus auch auf die Wahlberechtigung an. Ab 101 Arbeitnehmern nennt das Gesetz diese Voraussetzung nicht mehr. In Betrieben mit in der Regel 701 bis 1000 Arbeitnehmern besteht der Betriebsrat aus 13 Mitgliedern, in Betrieben mit in der Regel 1001 bis 1500 Arbeitnehmern aus 15 Mitgliedern. Wie der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts nun unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden hat, zählen in der Regel beschäftigte Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten des § 9 BetrVG im Entleiherbetrieb mit. Das ergibt die insbesondere an Sinn und Zweck der Schwellenwerte orientierte Auslegung des Gesetzes. Jedenfalls bei einer Betriebsgröße von mehr als 100 Arbeitnehmern kommt es auch nicht auf die Wahlberechtigung der Leiharbeitnehmer an.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. März 2013, Aktenzeichen 7 ABR 69/11

12.03.2013 Erstattung von Aufwendungen zur Arbeitsausführung

Der Arbeitgeber hat einem Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung von § 670 BGB Aufwendungen zu ersetzen, die dieser in Bezug auf die Arbeitsausführung gemacht hat, wenn die erbrachten Aufwendungen nicht durch das Arbeitsentgelt abgegolten sind und der Arbeitnehmer sie nach verständigem Ermessen subjektiv für notwendig halten durfte. Im zugrunde liegenden Falle war der Kläger beim beklagten Land als Mathe-Lehrer angestellt.Das für den Unterricht benötigte Buch wurde ihm zu Beginn des Schuljahres nicht zur Verfügung gestellt; der Lehrer kaufte das Buch daraufhin selbst.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.03.2013, Aktenzeichen 9 AZR 455/11

05.03.2013 Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen

Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, sind wirksam. Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber können in einer freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung eine Altersgrenze für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln. Dabei haben sie die Grundsätze von Recht und Billigkeit (§ 75 Abs. 1 BetrVG) zu beachten. Diese sind gewahrt, wenn die Altersgrenze an den Zeitpunkt anknüpft, zu dem der Arbeitnehmer die Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen kann. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Die Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist auch keine, die Altersgrenzenregelung der Gesamtbetriebsvereinbarung verdrängende einzelvertragliche Abmachung.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.03.2013, Aktenzeichen 1 AZR 417/12

05.03.2013 Verhalten des Arbeitnehmers bei Arbeitsunfähigkeit

Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer habe durch sein eigenes Verhalten dafür Sorge zu tragen, dass er die Phase der Arbeitsunfähigkeit möglichst zügig überwinde. Welche Tätigkeiten einem Arbeitnehmer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit untersagt seien, hänge von der vorliegenden Krankheit ab. Im zugrunde liegenden Falle war der Kläger Abteilungsleiter einer Reha-Technik. Im Frühjahr 2011 führte der Kläger mit dem Alleingesellschafter der Beklagten ergebnislose Gespräche über die Übertragung der Geschäftsführerposition. Er bewarb sich in der Folgezeit für die Position des Geschäftsführers der städtischen A. gGmbH und kam am 22.08.2011 im Rahmen des Bewerbungsverfahrens der Einladung nach, sich bei der Bürgerschaft vorzustellen. An diesem Tag war der Kläger wie im gesamten Zeitraum vom 08.08. bis zum 24.08.2011 als arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am folgenden Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Der Kläger hatte unstreitig an einer Einschränkung der Bewegungsfähigkeit seines rechten Arms gelitten, die auf einen eingeklemmten Nerv zurückzuführen war. Die Wahrnehmung eines Vorstellungsgesprächs sei deshalb aber nicht gleich genesungsfeindlich. Der Kläger habe seinen Abkehrwillen gezeigt. Artikel 12 GG gewähre ihm allerdings die freie Arbeitsplatzwahl. Der Abkehrwille könne deshalb eine Kündigung nur rechtfertigen, wenn der abkehrwillige Arbeitnehmer seine Pflichten im alten Arbeitsverhältnis zugunsten seiner zukünftigen Tätigkeit vernachlässige oder der Arbeitgeber die Chance habe, für ihn eine andere Person einzustellen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Die weiteren Pflichtverletzungen seien bereits gem. § 626 Abs. 2 BGB verfristet. Nach dieser Vorschrift kann die fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis von den die Kündigung begründenden Tatsachen erfolgen. Auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei unwirksam. Erschöpfe sich die Umsetzung des neuen Betriebskonzepts praktisch in der Kündigung eines Arbeitnehmers, seien die Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss deckungsgleich. In diesem Fall müsse der Arbeitgeber seine Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen. Daran fehle es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führen würde. Die unternehmerische Entscheidung dürfe ebenso wenig Vorwand sein, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und -möglichkeiten objektiv fortbestünden. Die Einstellung des Klägers sei nach dem Vortrag der Beklagten zur Entlastung der Geschäftsführung erfolgt. Nach der Entlassung des Klägers werde diese bei unveränderten Umständen wieder eintreten. Wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs der Kündigungserklärung mit dem Vorstellungsbespräch des Klägers dränge sich der Gedanke auf, der Kündigungsgrund sei nur vorgeschoben. Die Beklagte habe keine vernünftige Begründung ihrer Entscheidung anführen können, Die Kündigung sei auch nicht wegen angeblicher Schlechtleistungen des Klägers im operativen Geschäft sozial gerechtfertigt. Sei der Arbeitgeber mit der Erledigung der Aufgaben nicht zufrieden, müsse er durch konkrete Anweisungen oder den Ausspruch von Abmahnungen eine Verhaltensänderung anstreben. Das Angebot an den Gesellschafter der Beklagten, die Geschäftsführung zu übernehmen, möge gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten illoyal gewesen sein, nicht aber gegenüber der Beklagten.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 05.03.2013, Aktenzeichen 5 Sa 106/12

19.02.2013 Zweimalige Arbeitszeitverringerung in Elternzeit

Eltern haben in Zukunft bessere Chancen, ihren Anspruch auf Elternteilzeit gegen den Arbeit-geber durchzusetzen. Das Bundesarbeitsgericht gab am 19.02.2013 einer Arbeitnehmerin recht, deren Teilzeitantrag vom Arbeitgeber abgelehnt worden war. Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) können nur "dringende betriebliche Gründe" den Anspruch von Eltern auf eine verringerte Arbeitszeit gefährden. Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 BEEG dürfen sie höchstens zwei Anträge auf Teilzeit stellen. Im zugrunde liegenden Falle lehnte der Arbeitgeber unter Berufung auf diese Bestimmung den Antrag der klagenden Arbeitnehmerin ab. Diese hatte am 05.06.2008 ein Kind zur Welt gebracht und zunächst für die Dauer von zwei Jahren bis zum 04.06.2010 Elternzeit in Anspruch genommen. In dieser Zeit wollte die Arbeitnehmerin in Teilzeit arbeiten. Aus diesem Grunde vereinbarte sie am 03.12.2008 mit ihrem Arbeitgeber die Verringerung der Arbeitszeit für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.05.2009 auf wöchentlich 15 Stunden und für die Zeit vom 01.06.2009 bis zum Ende der Elternzeit am 04.06.2010 auf wöchentlich 20 Stunden. Kurz vor Ende der Elternzeit entschied sich die Arbeitnehmerin, diese um ein weiteres Jahr zu verlängern, nahm mit Schreiben vom 07.04.2010 bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes erneut Elternzeit in Anspruch und beantragte gleichzeitig, wie bisher 20 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Der Arbeitgeber lehnte dies mit der Begründung ab, sie habe bereits zwei Anträge auf Teilzeit gestellt, weshalb sie nur in Vollzeit oder aber gar nicht arbeiten könne. Diesem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit steht die Vereinbarung der Parteien vom 03.12.2008 nicht entgegen. Einvernehmliche Elternteilzeitregelungen sind folglich also nicht auf den Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit anzurechnen. Mit diesem Urteil ist jedoch noch nicht entschieden, ob der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin das Gehalt für das abgelehnte Jahr der Teilzeitbeschäftigung schuldet, dies ist einem Folgeprozess vorbehalten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2013, Aktenzeichen 9 AZR 461/11

07.02.2013 Keine Kündigung wegen übersehenem Fehler

Eine 48-jährige Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr arbeitete seit 1986 bei der beklagten Bank. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Überprüfung von Überweisungsbelegen und gegebenenfalls deren Korrektur. Dabei übersah sie am 2. April 2012 in dem Zahlungsbeleg eines Rentners, dass ein Arbeitskollegen die Summe auf dem Beleg von 62,40 € auf 222.222.222,22 € "korrigiert" hatte. Wie sich im Nachhinein herausstellte, war der vorprüfender Arbeitskollege, der allerdings nicht für die Prüfung des Betragsfelds des Belegs zuständig war, bei einem Sekundenschlaf auf die Taste „2“ der PC-Tastatur geraten und hatte diese länger gedrückt gehalten. Durch eine systeminterne Prüfungsroutine wurde der Fehler bemerkt und berichtigt. Die Bank hat der Klägerin die vorsätzliche Täuschung über ihre Arbeitsleistungen vorgeworfen indem sie Belege nicht geprüft, sondern ohne Prüfung freigegeben habe. Sie hat der Klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main und ihm folgend das Hessische Landesarbeitsgericht haben der Kündigungsschutzklage der Klägerin stattgegeben. Eine vorsätzliche Schädigung des Arbeitgebers oder eine vorsätzliche Manipulation des Arbeitsablaufs lägen nicht vor. Nach der Vorbearbeitung durch den Arbeitskollegen könne der Klägerin nur noch eine unterlassene Kontrolle des Überweisungsträgers vorgeworfen werden. Dies sei zwar ein schwerer Fehler gewesen, die für eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen notwendige negative Prognose sei nach Abwägung aller Umstände aber nicht erkennbar. Deshalb sei der beklagten Bank hier eine Abmahnung statt einer Kündigung noch zumutbar gewesen. Auch die von der Bank begehrte Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht hat das Hessische Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Nach wie vor sei eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Entscheidung vom 7.2.2013, Aktenzeichen 9 Sa 1315/12

28.01.2013 Fristlose Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit

Wer als Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber unerlaubt Konkurrenz macht, kann fristlos gekündigt werden Im zugrunde liegenden Falle war der 43-jährige Arbeitnehmer seit August 2000 bei seinem Arbeitgeber, der einen Betrieb für Abflussrohrsanierungen führt, als Rohrleitungsmonteur beschäftigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war der Arbeitnehmer im August 2007 zunächst im Auftrag seines Arbeitgebers bei einer Kundin, um die Abflussrohre im Bereich Küche und Keller mit einer Spezialkamera zu inspizieren. Einige Tage später kam er zurück und verlegte bei der Kundin neue Abflussrohre zur Behebung des festgestellten Schadens. Dafür verlangte er 900 € in bar, die die Kundin auch zahlte. Eine Quittung stellte der Arbeitnehmer nicht aus. Das Geld behielt er für sich. Durch diese Konkurrenztätigkeit hat der Arbeitnehmer nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts seine arbeitsvertraglichen Pflichten massiv verletzt. Ein Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr nachteiliger Beeinflussung durch die eigenen Arbeitnehmer offenstehen. Die dem Arbeitnehmer im Juli 2011 ausgesprochene fristlose Kündigung war deshalb nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts wirksam und beendete das Arbeitsverhältnis mit deren Zugang. Der Arbeitgeber hatte erst wenige Tage vor der Kündigung von dem Vorfall aus dem Jahr 2007 erfahren, als die Kundin bei ihm wegen der Nachbesserung mangelhafter Leistungen des Arbeitnehmers vorsprach.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Januar 2013, Aktenzeichen 16 Sa 593/12

28.01.2013 Kündigung aufgrund Wettbewerbstätigkeit

Verstößt ein Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot und übt eine Konkurrenztätigkeit aus, so hat der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten massiv verletzt; eine fristlose Kündigung kann gerechtfertigt sein. Ein Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr nachteiliger Beeinflussung durch die eigenen Arbeitnehmer offenstehen. Ein Wettbewerbsverbot besteht also auch dann, wenn der einzelne Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Regelung enthält. Der Sinn und Zweck des Wettbewerbsverbots liegt letztendlich darin, dass demjenigen die Rendite aus einer Investition zusteht, der auch das Risiko für ihre Rentabilität trägt. Und das ist eben im Regelfall der Arbeitgeber. Handelt es sich aber um gänzlich untergeordnete Tätigkeiten, wird der Arbeitgeber dies seinem Arbeitnehmer zugestehen müssen. Der Einzelfall ist dabei genau zu prüfen.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 28.01.2013, Aktenzeichen 16 Sa 593/12

23.01.2013 Weg in Kantine ist versichert, in Raucherecke nicht

Wer sich auf dem Rückweg von der Raucherpause zum Arbeitsplatz verletzt, erleidet keinen Arbeitsunfall und steht damit nicht unter dem Schutz der Unfallversicherung. Das Rauchen ist eine persönliche Angelegenheit und - anders als die Nahrungsaufnahme - ohne sachlichen Bezug zur Berufstätigkeit. Der Weg von und zur Raucherpause ist nicht der unfallversicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit zuzurechnen. Denn ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (§ 8 SGB VII). Nicht jede Tätigkeit im Laufe eines Arbeitstages fällt darunter. Es ist schließlich die freie Privatentscheidung eines jeden, ob er zum Rauchen geht oder nicht. Ein Bezug zur beruflichen Tätigkeit besteht nicht. Das Rauchen ist insbesondere nicht mit der Nahrungsaufnahme vergleichbar. Essen und Trinken sind unter anderem notwendig, um die Arbeitskraft aufrechtzuerhalten. Beim Rauchen handelt es sich hingegen um den Konsum eines Genussmittels und damit um eine Handlung aus dem persönlichen, nicht dem beruflichen Lebensbereich. Deshalb ist zwar der Weg zur Kantine versichert, nicht aber der Weg zur Raucherpause.

Sozialgericht Berlin, Urteil vom 23.01.2013, Aktenzeichen S 68 U 577/12

16.01.2013 Weihnachtsgratifikation in jährlich festzulegender Höhe

Eine Klausel in einem Arbeitsvertrag (AGB), mit der dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zur Entscheidung über die Höhe einer jährlichen Zuwendung vorbehalten wird, hält der AGB-Kontrolle nach § 305 ff. BGB regelmäßig stand, insbesondere wenn es sich um eine Gratifikation handelt, die nach dem Arbeitsvertrag keinen Entgeltcharakter hat. In derartigen Fällen findet § 315 BGB Anwendung. Die jährlich vom Arbeitgeber zu treffende Leistungsbestimmung muss billigem Ermessen entsprechen. Ob dies der Fall ist, kann der Arbeitnehmer nach § 315 Abs. 3 BGB vom Arbeitsgericht überprüfen lassen. Die entsprechende Norm zu dieser Entscheidung: § 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei (1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist. (2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. (3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 16.01.2013, Aktenzeichen 10 AZR 26/12

12.12.2012 Keine Altersdiskriminierung durch Stichtagsregelungen

Eine tarifliche Regelung, wonach der Anspruch auf eine Sonderzahlung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 01.12. des Jahres abhängt, benachteiligt Arbeitnehmer, die vor diesem Stichtag wegen Erreichens des gesetzlichen Rentenalters aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, nicht unzulässig wegen ihres Alters. Insbesondere würden dadurch ältere Arbeitnehmer nicht entgegen den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wegen ihres Alters in unzulässiger Weise benachteiligt. Eine unmittelbare Benachteiligung liege nicht vor, da der Anspruch auf die Sonderzahlung nicht vom Alter des Beschäftigten abhänge. Es seien auch keine Anhaltspunkte erkennbar, dass ältere Arbeitnehmer überproportional von der Regelung betroffen seien, also eine mittelbare Diskriminierung vorliege. Denn auch andere Beschäftigte, die beispielsweise wegen des Ablaufs eines befristeten Arbeitsvertrags, wegen einer Eigenkündigung oder einer arbeitgeberseitigen Kündigung vor dem 01.12. ausscheiden, hätten unabhängig von ihrem Alter keinen Anspruch auf die Sonderzahlung.

Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 12.12.2012, Aktenzeichen 10 AZR 718/11

12.12.2012 Vergütung von Fahrzeiten zu auswärtiger Arbeitsstelle

Fahrten vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle sind vergütungspflichtige Arbeit. Durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle getroffen werden. Eine „Auslösung“, die nicht nur einen erhöhten Aufwand (zB für Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten) abdeckt, kann Entgeltcharakter haben.

Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 12.12.2012, Aktenzeichen 5 AZR 355/12

11.12.2012 Arbeitszeugnis: "Dank und gute Wünsche"

Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers gehören nicht zum notwendigen Zeugnisinhalt. Ist der Arbeitnehmer mit einer dennoch in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden, kann er daher nur die Erteilung eines Zeugnisses ohne diese Formulierung verlangen. Im zugrunde liegenden Falle leitete der Kläger einen Baumarkt der Beklagten. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte ihm die Beklagte ein Arbeitszeugnis mit einer überdurchschnittlichen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Das Zeugnis endet mit den Sätzen: "Herr K scheidet zum 28.02.2009 aus betriebsbedingten Gründen aus unserem Unternehmen aus. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute." Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Schlusssatz sei unzureichend und entwerte sein gutes Zeugnis. Er habe Anspruch auf die Formulierung: "Wir bedanken uns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine private und berufliche Zukunft alles Gute." Der Kläger hatte vor dem Bundesarbeitsgericht jedoch keinen Erfolg. Der Arbeitgeber ist gesetzlich nicht verpflichtet, das Arbeitszeugnis mit Formulierungen abzuschließen, in denen er dem Arbeitnehmer für die geleisteten Dienste dankt, dessen Ausscheiden bedauert oder ihm für die Zukunft alles Gute wünscht. Das einfache Zeugnis muss nach § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten. Der Arbeitnehmer kann gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers gehören damit nicht zum notwendigen Zeugnisinhalt. Schlusssätze in Zeugnissen, mit denen Arbeitgeber in der Praxis oft persönliche Empfindungen wie Dank oder gute Wünsche zum Ausdruck bringen, sind nicht "beurteilungsneutral", sondern geeignet, die objektiven Zeugnisaussagen zu Führung und Leistung des Arbeitnehmers zu bestätigen oder zu relativieren. Wenn ein Arbeitgeber solche Schlusssätze formuliert und diese nach Auffassung des Arbeitnehmers mit dem übrigen Zeugnisinhalt nicht in Einklang stehen, ist der Arbeitgeber lediglich verpflichtet, ein Zeugnis ohne Schlussformel zu erteilen. Auch wenn in der Praxis, insbesondere in Zeugnissen mit überdurchschnittlicher Leistungs- und Verhaltensbeurteilung, häufig dem Arbeitnehmer für seine Arbeit gedankt wird, kann daraus mangels einer gesetzlichen Grundlage kein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Dankesformel abgeleitet werden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2012, Aktenzeichen 9 AZR 227/11

06.12.2012 Geminderte Entlassungsabfindung

Ein Sozialplan darf eine geminderte Entlassungsabfindung für Arbeitnehmer vorsehen, die kurz vor dem Renteneintritt stehen. Mit diesem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass das im Unionsrecht vorgesehene Verbot jeder Diskriminierung wegen des Alters der Regelung in einem Sozialplan, nach der - wie im vorliegenden Fall - bei der Berechnung der Entlassungsabfindung anhand des Alters differenziert wird, nicht entgegensteht. Eine solche Ungleichbehandlung kann nämlich durch das Ziel gerechtfertigt werden, einen Ausgleich für die Zukunft zu gewähren und die jüngeren Arbeitnehmer zu schützen, sowie ihre berufliche Wiedereingliederung zu unterstützen, und sie trägt zugleich der Notwendigkeit einer gerechten Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel eines Sozialplans Rechnung. Darüber hinaus ist es legitim, zu vermeiden, dass eine Entlassungsabfindung Personen zugute kommt, die keine neue Stelle suchen, sondern ein Ersatzeinkommen in Form einer Altersrente beziehen wollen. Es stellt aber eine nach dem Unionsrecht verbotene Diskriminierung dar, wenn bei der Berechnung dieser Minderung die Möglichkeit einer vorzeitigen Altersrente wegen einer Behinderung berücksichtigt wird. Durch diese Ungleichbehandlung nicht behinderter Arbeitnehmer und behinderter Arbeitnehmer wird nämlich sowohl das Risiko für Schwerbehinderte - die im Allgemeinen größere Schwierigkeiten als nichtbehinderte Arbeitnehmer haben, sich wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern - als auch die Tatsache verkannt, dass das Risiko steigt, je mehr sie sich dem Renteneintrittsalter nähern. Schwerbehinderte haben jedoch spezifische Bedürfnisse im Zusammenhang mit dem Schutz, den ihr Zustand erfordert, und mit der Notwendigkeit, dessen mögliche Verschlechterung zu berücksichtigen. Daher ist dem Risiko Rechnung zu tragen, dass Schwerbehinderte unabweisbaren finanziellen Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrer Behinderung ausgesetzt sind und/oder dass sich diese finanziellen Aufwendungen mit zunehmendem Alter erhöhen.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 06.12.2012, Aktenzeichen C-152/11

01.12.2012 Vorgetäuschte Krankheit

Es erscheint nicht als ausgeschlossen, dass eine Arbeitnehmerin nach Übergabe einer Eigenkündigung im Laufe desselben Tages gesundheitliche Störungen (Übelkeit, Kopfschmerzen, Weinkrämpfe) erleidet, die zu einer zweiwöchigen Arbeitsunfähigkeit führen. Die Klägerin war als Rechtsanwaltsfachangestellte beim Beklagten beschäftigt. Am 14. November übergab sie diesem die Kündigung zum 30. November. Der Anwalt fragte, ob sie bereit sei, unter Abgeltung des noch offenen Urlaubsanspruchs bis zum Monatsende weiter zu arbeiten. Die Antwort der Klägerin ist streitig. Der Anwalt verließ danach die Kanzlei. Bei seiner Rückkehr stellte er fest, dass die Angestellte die in ihrem Eigentum stehenden Gegenstände (Monitor, Funkmaus und Kaffeemaschine) aus den Büroräumen entfernt hatte. Einen Tag später ging ihm eine - auf den Vortag ausgestellte -Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) der Frau zu. Diese war bis zum Monatsende krankgeschrieben. Der Anwalt kündigte seinerseits außerordentlich. Er meint das Folgeverhalten der Angestellten zeige, dass sie tatsächlich nicht krank war, sondern bereits beim Ausspruch ihrer Kündigung beabsichtigte, sich ein Gefälligkeitsattest ausstellen zu lassen. Da sie ihm zugesagt habe, bis zum Ende der Kündigungsfrist weiterzuarbeiten, habe es überhaupt keinen Sinn ergeben, dass sie ihre persönlichen Gegenstände mitnahm. Zu diesem Zeitpunkt habe sie noch nicht ahnen können, dass sie erkranken würde. Nach ständiger Rechtsprechung komme es nach einer angekündigten Arbeitsunfähigkeit nicht darauf an, ob später tatsächlich Arbeitsunfähigkeit eintritt. Das Hessische Landesarbeitsgericht wollte dieser Argumentation nicht folgen. Dem Anwalt ist es nicht gelungen den Beweiswert der AU zu erschüttern oder gar zu entkräften. So erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass eine Arbeitnehmerin nach Übergabe einer schriftlichen ordentlichen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses im Laufe desselben Tages gesundheitliche Störungen der von der Klägerin beschriebenen Art (Übelkeit bis zum Erbrechen, Kopfschmerzen, Weinkrämpfe) erleidet, die zu einer zweiwöchigen Arbeitsunfähigkeit führen. Zwar muss es sich dabei nicht um eine "Konfliktsituation" gehandelt haben. Jedoch kann im Einzelfall auch die Kündigung selbst - auch wegen des im Anschluss daran geführten Gesprächs über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Kündigungsfrist - eine Situation darstellen, die zu einer Destabilisierung des kurz zuvor noch stabilen Gesundheitszustandes führen kann. Dem widerspricht nicht die Tatsache, dass die Klägerin noch am Tage der Kündigungserklärung ihre persönlichen Gegenstände aus der Kanzlei entfernte. Sie hatte im Vorfeld weder vom Beklagten die Freistellung für den Rest des Arbeitsverhältnisses verlangt noch für den Fall der Ablehnung dieses Begehrens angekündigt, sie werde sich krankschreiben lassen.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 01.12.2012, Aktenzeichen 7 Sa 186/12

28.11.2012 Mindestlohn gilt auch für Bereitschaftszeiten

Da die Regelung über das Mindestentgelt in der Pflegebranche nicht nach der Art der erbrachten Tätigkeit differenziert, gilt der Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten. Deshalb sind im Bereitschaftsdienst erbrachte Arbeitsleistungen mit demselben Mindestentgeltsatz zu vergüten wie Arbeitsleistungen während der Vollarbeitszeit. Überwiegen im Rahmen der Leistungserbringung die pflegerischen Tätigkeiten der Grundpflege iSv. § 14 Abs. 4 Nr. 1 – 3 SGB XI und ist somit der Anwendungsbereich der Mindestentgeltregelungen gem. § 1 Abs. 3 PflegeArbbV eröffnet, sind auch andere Tätigkeiten, insb. solche der hauswirtschaftlichen Versorgung im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI mit dem Mindestentgeltsatz des § 2 Abs. 1 PflegeArbbV zu vergüten.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28.11.2012, Aktenzeichen 4 Sa 48/12

21.11.2012 Kündigung bei Drogenkonsum während des Dienstes

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage eines BVG-Busfahrers gegen die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses abgewiesen. Der Busfahrer war während seines Dienstes suspendiert worden, nachdem Fahrgäste wegen einer auffälligen Fahrweise die Polizei benachrichtigt hatten. Ein Drogenschnelltest wies auf einen Drogenkonsum während des Dienstes hin. Der Busfahrer räumte in einem Personalgespräch ein, außerhalb des Dienstes Drogen konsumiert zu haben. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund. Das Arbeitsgericht hat die Kündigung für berechtigt gehalten. Es bestehe angesichts der genannten Umstände der dringende Verdacht, dass der Busfahrer seinen Dienst unter dem Einfluss von Drogen ausgeübt hatte. Dies berechtige den Arbeitgeber angesichts der an Berufskraftfahrer zu stellenden Anforderungen zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 21.11.2012, Aktenzeichen 31 Ca 13626/12

26.10.2012 Arbeitszeugnis: „Mittelmäßige Leistung“

Den Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, die eine lediglich befriedigende Beurteilung im Arbeitszeugnis rechtfertigen. Im zugrunde liegenden Falle forderte die Klägerin von ihrem ehemaligen Arbeitgeber die Korrektur ihres Arbeitszeugnisses ein. Es ging ausschließlich noch um die Frage, ob der Arbeitgeber die Leistungen der Klägerin als "stets" zu seiner vollen Zufriedenheit zu klassifizieren hat oder sich das Prädikat ersparen darf. Das Arbeitsgericht hat den Arbeitgeber zunächst zur formalen Nachbesserung verpflichtet. Dieser hat das Zeugnis auf geschäftlichem Briefpapier in ungeknickter und ungelochter Form zu erteilen. Der Klägerin sind der Sache nach "gute" Leistungen und damit das umstrittene "stets" zu bescheinigen. Denn für die Tatsachen, die eine schlechtere Beurteilung rechtfertigen, trifft vorliegend den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Zwar vertritt das Gericht die Ansicht, dass der Arbeitnehmer, der eine überdurchschnittliche Beurteilung erstrebt, die hierfür erforderlichen Tatsachen beibringen muss. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ihm der Arbeitgeber im Zeugnis (bereits) "eine gut durchschnittliche Leistung" bescheinigt hat. In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer "die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die eine bessere Schlussbeurteilung rechtfertigen sollen". Damit ist aber noch nicht geklärt, was denn als "durchschnittliche" Leistung zu gelten hat. Während bislang davon ausgegangen wurde, dass bei Verwendung des Begriffs "durchschnittlich" dasselbe wie mit "befriedigend" gemeint sei, haben empirische Studien mittlerweile andere Erkenntnissen erbracht. Denn nach heutigem Stand werden die Noten "sehr gut" und "gut" bei weitem häufiger vergeben (86,6 Prozent), als die empirisch längst auf ein "Schattendasein" verwiesene Note "befriedigend" (13,4 Prozent) als vermeintlichem Mittelmaß. Dies lässt den Schluss zu, dass dem Arbeitszeugnis nichts mehr über die tatsächliche Leistungsfähigkeit einer Arbeitsperson entnommen werden kann. Danach kann nicht mehr daran festgehalten werden, der Frau die Darlegungs- und Beweislast dafür zuzuweisen, dass sie zu Unrecht in die Gruppe der schwächsten 13,4 Prozent aller Beschäftigten eingereiht worden ist.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 26.10.2012, Aktenzeichen: 28 Ca 18230/11

17.10.2012 Gerechter Preis der Arbeit

Die Bestimmung der Vergütungshöhe im Arbeitsverhältnis obliegt vorbehaltlich verbindlicher Mindestentgelte bis zur Grenze der Gesetz- und Sittenwidrigkeit der Parteivereinbarung. Ob der Wert der Arbeitsleistung in einem auffälligen Missverhältnis zur versprochenen Vergütung steht, kann nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der vom Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung und des vom Arbeitgeber dafür zu zahlenden Entgelts beurteilt werden. Für die Bestimmung eines auffälligen Missverhältnisses ist periodengerecht der objektive Wert der Arbeitsleistung mit der versprochenen Vergütung zu vergleichen. Solange der Wert der Arbeitsleistung nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu dem für die Arbeit gezahlten Entgelt steht, kann allein die fehlende Befristung einer vertraglichen Entgeltsenkung die Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung nicht begründen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2012, Aktenzeichen 5 AZR 792/11

11.10.2012 Unzulässige Frage nach Schwangerschaft

Die Frage nach einer Schwangerschaft bei der Einstellung ist wegen ihrer geschlechtsdiskriminierenden Wirkung grundsätzlich unzulässig. Es besteht auch dann keine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin, wenn diese befristet als Schwangerschaftsvertretung beschäftigt werden soll. Auch eine Schwangerschaftvertretung ist bei Vertragsschluss also nicht verpflichtet, das Bestehen einer eigenen Schwangerschaft zu offenbaren. Das Verschweigen von solchen Tatsachen stellt nämlich nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht. Das ist im Hinblick auf eine Schwangerschaft zur Vermeidung einer Geschlechtsdiskriminierung zu verneinen. Gleiches gilt für eine entsprechende Frage des Arbeitgebers, die nach § 3 Abs. 1 S. 2 AGG als unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts zu bewerten ist. Auch die Tatsache der Befristung führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht die Unzulässigkeit einer Frage nach der Schwangerschaft bislang ausdrücklich nur für den Fall einer unbefristeten Einstellung festgestellt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gilt dies aber auch dann, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag begründet werden soll und feststeht, dass die Bewerberin während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht arbeiten kann. Aufgrund dieser Rechtslage, die aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg folgt, besteht weder ein Fragerecht des Arbeitgebers noch eine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin, und zwar selbst für den Fall, dass ihr die Schwangerschaft bei Vertragsschluss bekannt ist.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.10.2012, Aktenzeichen 6 Sa 641/12

19.09.2012 Umkleidezeiten von OP-Schwester vergütungspflichtig

Umkleidezeiten und hierdurch veranlasste innerbetriebliche Wegezeiten sind vergütungspflichtige Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Im zugrunde liegenden Falle war die Klägerin bei der Beklagten als Krankenschwester im OP-Dienst beschäftigt. Sie war zum Tragen von Berufs- und Bereichskleidung verpflichtet. § 2 Abs. 1 ArbZG definiert die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Entscheidend ist damit, ob die streitgegenständlichen Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten "Arbeit" sind. Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Zur Arbeit gehört auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Im Streitfall kommt hinzu, dass das Tragen der Berufs- und Bereichskleidung der Beschäftigten im OP-Bereich primär hygienischen Zwecken und damit betrieblichen Belangen der Beklagten dient. Da die Arbeit in diesem Falle mit dem Umkleiden beginnt, zählen auch die innerbetrieblichen Wege zur Arbeitszeit, die dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen muss.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.09.2012, Aktenzeichen 5 AZR 678/11

29.08.2012 Ehrenamtliche Tätigkeit

Durch die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. Der Beklagte ist Träger einer örtlichen Telefonseelsorge. Zu diesem Zweck unterhält er Räumlichkeiten, in denen ein hauptamtlicher und rund fünfzig ehrenamtliche Mitarbeiter den Seelsorgedienst verrichten. Nach der Dienstordnung für die ehrenamtlichen Kräfte wird deren regelmäßige Beteiligung erwartet. Jeweils im Vormonat legt der Beklagte Dienstpläne für den Folgemonat aus, in die sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter eintragen. Die Klägerin war auf der Grundlage schriftlicher «Beauftragungen» seit dem 26.04.2002 als ehrenamtliche Telefonseelsorgerin unentgeltlich im Umfang von zehn Stunden im Monat für den Beklagten tätig. Sie erhielt lediglich einen Unkostenersatz von 30 Euro monatlich. Am 22.01.2010 wurde sie mündlich von ihrem Dienst entbunden.Hiergegen erhob die Klägerin ohne Erfolg Kündigungsschutzklage. Zwischen den Parteien habe kein Arbeitsverhältnis bestanden, so das BAG. Die Vereinbarung der Unentgeltlichkeit von Dienstleistungen sei – bis zur Grenze des Missbrauchs – rechtlich zulässig, wenn eine Vergütung, wie bei ehrenamtlicher Tätigkeit, nicht zu erwarten sei. Die Ausübung von Ehrenämtern diene nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz. Sie sei Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen. Im Streitfall bestehe kein Anhaltspunkt für die Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.08.2012,Aktenzeichen 10 AZR 499/11

28.08.2012 Kündigung wegen Drogenkonsum in der Freizeit

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der in der Freizeit Cannabis zu sich nimmt, auch wenn die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist, keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zusteht. Ein bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) angestellter Gleisbauer hatte sich einem Drogenscreening unterzogen, bei dem erhöhte Cannabinolwerte festgestellt wurden. Auf Nachfrage, gab er zu, dass er in der Freizeit gelegentlich Cannabis konsumiere. Er wurde wegen betriebsärztlicher Sicherheitsbedenken entlassen. Hiergegen klagte der Gleisbauer und machte unter anderem geltend, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Das angerufene Arbeitsgericht gab dem Kläger insoweit Recht, als dass die Kündigung aus formalen Gründen unwirksam sei. Das Landesarbeitsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts insoweit, als dass die Kündigung mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats unwirksam ist. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers besteht demgegenüber nicht. Als Gleisbauer werde der Kläger in einem sicherheitsrelevanten Bereich eingesetzt. Der Konsum von Cannabis führe zu einem Sicherheitsrisiko, das die BVG nicht eingehen müsse.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.08.2012, Aktenzeichen 19 Sa 306/12; 19 Sa 324/12

22.08.2012 Diplomatenimmunität

Gemäß § 18 GVG sind Mitglieder der diplomatischen Missionen nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Die Immunität einer Person, deren dienstliche Tätigkeit beendet ist, endet bei nichtdienstlichen Handlungen gemäß Art. 39 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens mit der Ausreise. In einem anhängigen Rechtsstreit wird dadurch der Mangel der deutschen Gerichtsbarkeit nachträglich geheilt. Der Beklagte war akkreditierter Attaché der Botschaft des Königreichs S. in der Bundesrepublik Deutschland. Die indonesische Staatsangehörige R. arbeitete von April 2009 bis Oktober 2010 als Hausangestellte im Privathaushalt des Beklagten in Deutschland. Im Februar 2011 trat sie ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis an die Klägerin ab, die mit ihrer Zahlungsklage Vergütung und Schmerzensgeld beansprucht. Sie behauptet, der Beklagte habe Frau R. ausgebeutet, misshandelt, bedroht und gefangen gehalten. Vergütung habe der Beklagte nicht gezahlt. Die Vorinstanzen haben die Klage als unzulässig abgewiesen. Nachdem der Senat eine Auskunft beim Auswärtigen Amt eingeholt hat, ist nunmehr unstreitig, dass der Beklagte inzwischen die Bundesrepublik verlassen hat und seine diplomatischen Vorrechte erloschen sind. Ungeachtet der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob die Immunität des Beklagten im Hinblick auf die Schwere der erhobenen Vorwürfe von Anfang an beschränkt war, ist ein Mangel der Zuständigkeit nachträglich geheilt worden. Dies führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. August 2012, Aktenzeichen 5 AZR 949/11

07.08.2012 Urlaubsanspruch im ruhenden Arbeitsverhältnis

Jeder Arbeitnehmer hat nach § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr auch dann Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, wenn er im gesamten Urlaubsjahr arbeitsunfähig krank war. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat und eine tarifliche Regelung bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis während des Bezugs dieser Rente auf Zeit ruht. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch steht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien. Bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern ist § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wonach im Fall der Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, unionsrechtskonform so auszulegen, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.08.2012, Aktenzeichen 9 AZR 353/10

18.07.2012 Kettenbefristungen

Die Befristung eines Arbeitsvertrags kann trotz Vorliegens eines Sachgrunds aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein. Für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs können insbesondere eine sehr lange Gesamtdauer oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber sprechen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.07.2012, Aktenzeichen 7 AZR 443/09

12.07.2012 Kündigung Schwerbehinderter

Schwerbehinderte Menschen genießen auch bei außerordentlichen Kündigungen einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser greift jedoch nur, wenn sich das zur Begründung der Kündigung herangezogene Verhalten zwanglos aus der jeweiligen Beeinträchtigung ergibt. Im zugrunde liegenden Falle hatte der Kläger zum damaligen Zeitpunkt einen anerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 60 wegen Morbus Crohn – einer chronischentzündlichen Darmerkrankung – und Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Hüftgelenke. Nachdem er beim Diebstahl von 80 Litern Dieselkraftstoff aus einem Bagger seines Arbeitgebers erwischt worden war, beantragte dieser beim Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung. Zu einem späteren Zeitpunkt erkannte die Versorgungsverwaltung beim Kläger rückwirkend einen GdB von 100 an und stellte zusätzlich eine Depression fest. Er machte geltend, zwischen dem Kündigungsgrund und seiner chronischen Erkrankung bestehe zumindest ein mittelbarer Zusammenhang. Diese bewirke nämlich phasenweise eine Einschränkung seiner Wahrnehmungs- und Entscheidungsfähigkeit. In einer solchen Phase habe er den Diebstahl begangen. Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Nach § 91 Abs. 4 SGB IX soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn eine außerordentliche Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschied im konkreten Fall zu Ungunsten des Klägers. Denn der Diebstahl ergibt sich weder zwanglos aus dem Morbus Crohn noch aus den Verschleißerscheinungen. Es ist auch nicht Aufgabe des Integrationsamtes, einen Zusammenhang zwischen Erkrankungen, die bei der Statusentscheidung der Versorgungsverwaltung unberücksichtigt blieben, und dem Kündigungsgrund zu untersuchen. Die nachträglich festgestellte Depression ist nicht zu berücksichtigen, da sie zum Zeitpunkt der Kündigung weder festgestellt noch offenkundig noch deren Feststellung beantragt worden war. Außerdem genügt im Rahmen des § 91 Abs. 4 SGB IX auch nicht jedweder Einfluss der Behinderung auf das Verhalten des schwerbehinderten Menschen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.07.2012, Aktenzeichen 5 C 16.11

05.07.2012 Befristung der Arbeitsvertretung

Solange der vertretene Arbeitnehmer nicht verbindlich erklärt, dass er die Arbeit nicht wieder aufnehmen wird, darf der Arbeitgeber mit dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz rechnen. Im zugrunde liegenden Falle war ein Arbeitnehmer befristet als Vertretung für einen langzeiterkrankten Kollegen eingestellt worden. Diesem Langzeiterkrankten war bereits eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit bewilligt worden. Als die Befristung auslief, verlangte der Mitarbeiter eine unbefristete Weiterbeschäftigung. Seine Begründung: Für die Befristung habe kein sachlicher Grund vorgelegen, da der Arbeitgeberin hätte klar sein müssen, dass der erkrankte Arbeitnehmer niemals an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird. Außerdem hätte sich die Arbeitgeberin nach der weiteren Dauer der Erkrankung erkundigen müssen. Laut Gericht lagen hier aber keinerlei Anhaltspunkte vor, nach denen der Grund einer Vertretung hätte vorgeschoben sein können. Denn letztendlich konnte die Arbeitgeberin nicht wissen, ob der langzeiterkrankte Kollege an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Ferner hat ein Arbeitgeber keine Verpflichtung, krankheitsbedingt zu kündigen.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.2012, Aktenzeichen 11 Sa 26/12

05.07.2012 Anzeige gegen Arbeitgeber als Kündigungsgrund

Ein Arbeitnehmer kann aus Gründen der Loyalität dazu verpflichtet sein, einen Sachverhalt, den er zur Anzeige bringen will, zunächst intern mit dem Arbeitgeber zu klären. Dies geht aus einem Urteil des Kölner Landesarbeitsgerichts (LAG) hervor. Das Gericht erachtete die fristlose Kündigung einer Hauswirtschafterin für wirksam, die mit der Betreuung von zwei Kindern im Alter von zehn Monaten und zwei Jahren beschäftigt war und die die Eltern der Kinder beim Jugendamt angezeigt hatte. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) unterfielen Anzeigen eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber dem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, erläutert das LAG. Allerdings habe ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch den Ruf des Arbeitgebers zu schützen. Zwischen diesen Rechten und Pflichten sei eine Abwägung vorzunehmen, wenn es um die Frage geht, ob ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der ihn anzeigt, kündigen darf. Wesentlich sei dabei nach der Rechtsprechung des EGMR unter anderem, ob der Arbeitnehmer die Offenlegung in gutem Glauben und in der Überzeugung vorgenommen hat, dass die Information wahr sei, dass sie im öffentlichen Interesse liege und dass keine anderen, diskreteren Mittel existierten, um gegen den angeprangerten Missstand vorzugehen (Urteil vom 21.07.2011, 28274/08). Nach diesen Grundsätzen hat das LAG die Klage der Hauswirtschafterin gegen die fristlose Kündigung abgewiesen. Die fristlose Kündigung sei ausgesprochen worden, nachdem die Eheleute der Hauswirtschafterin in der Probezeit fristgemäß gekündigt hatten. Die Hauswirtschafterin habe sich danach an das Jugendamt gewandt und über Verwahrlosung und dadurch hervorgerufene körperliche Schäden der zehn Monate alten Tochter berichtet. Ein kinderärztliches Attest habe dagegen ausgewiesen, dass die Tochter einen altersgemäß unauffälligen Untersuchungsbefund habe. Zeichen von Verwahrlosung lägen nicht vor. Das LAG sah in der Anzeige eine unverhältnismäßige Reaktion auf die zuvor ausgesprochene ordentliche Kündigung. Selbst dann, wenn die Vorwürfe als richtig unterstellt würden, habe die Hauswirtschafterin unter Beachtung ihrer Loyalitätspflichten zunächst eine interne Klärung mit dem Ehepaar versuchen müssen. Erst nach Scheitern eines solchen Versuches habe eine Behörde eingeschaltet werden dürfen.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 05.07.2012, Aktenzeichen 6 Sa 71/12

21.06.2012 Schadensersatzansprüche wegen Diskriminierung

Es gilt nach § 15 Abs. 4 AGG eine Zwei-Monats-Frist für alle Schadensersatzansprüche wegen Diskriminierung aufgrund von im AGG genannter Merkmale und damit auch für Ansprüche auf anderer Rechtsgrundlage. Im Fall der Diskriminierung im Stellenbewerbungsverfahren beginnt die Frist in dem Moment, in dem der abgelehnte Bewerber von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 21.06.2012, Aktenzeichen 8 AZR 188/11

21.06.2012 Zigarettenentwendung - Verdeckte Videoüberwachung

Entwendet eine Verkäuferin Zigarettenpackungen aus dem Warenbestand des Arbeitgebers, kann dies auch nach längerer - im Streitfall zehnjähriger - Betriebszugehörigkeit eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Führte eine verdeckte Videoüberwachung zur Überführung der Täterin, kann das auf diese Weise gewonnene Beweismaterial im Bestreitensfall prozessual allerdings nicht ohne Weiteres verwertet werden. Das entsprechende Interesse des Arbeitgebers hat gegenüber dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Arbeitnehmerin nur dann höheres Gewicht, wenn die Art der Informationsbeschaffung trotz der mit ihr verbundenen Persönlichkeitsbeeinträchtigung als schutzbedürftig zu qualifizieren ist. Dies ist bei verdeckter Videoüberwachung nur dann der Fall, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers bestand, es keine Möglichkeit zur Aufklärung durch weniger einschneidende Maßnahmen (mehr) gab und die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig war. Unter diesen strengen Voraussetzungen wiederum stehen Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) der verdeckten Videoüberwachung auch an öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen nicht entgegen. Zwar bestimmt § 6b Abs. 2 BDSG, dass bei Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Räumen der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle erkennbar zu machen sind. Bei einem Verstoß gegen diese Pflicht wird aber nicht jedwede Videoüberwachungsmaßnahme an öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen per se unzulässig. In Anwendung dieser Grundsätze hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, soweit diese die Kündigungsschutzklage einer Verkäuferin abgewiesen hat. Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Einzelhandelsunternehmen. Die Klägerin war bei ihr zuletzt als stellvertretende Filialleiterin beschäftigt. Für drei Wochen im Dezember 2008 installierte die Beklagte mit Zustimmung des Betriebsrats verdeckte Videokameras in den Verkaufsräumen. Sie hat geltend gemacht, es habe der Verdacht bestanden, dass auch Mitarbeiterdiebstähle zu hohen Inventurdifferenzen beigetragen hätten. Auf dem Mitschnitt sei zu sehen, wie die Klägerin bei zwei Gelegenheiten jeweils zumindest eine Zigarettenpackung aus dem Warenbestand entwendet habe. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Die Klägerin hat bestritten, Zigaretten entwendet zu haben. Nach Einnahme des Augenscheins in die Videoaufzeichnungen hat das Landesarbeitsgericht den Kündigungsvorwurf als erwiesen erachtet und die Klage gegen die ordentliche Kündigung abgewiesen. Der Senat hat die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Zwar ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, die - allein noch im Streit stehende - ordentliche Kündigung sei nach dem zugrunde gelegten Sachverhalt sozial gerechtfertigt. Es steht aber noch nicht fest, ob die Voraussetzungen für eine prozessuale Verwertung der Videoaufzeichnungen gegeben sind.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.06.2012, Aktenzeichen 2 AZR 153/11

21.06.2012 Erkrankung während Erholungsurlaubs

Ein Arbeitnehmer, der während seines im Voraus festgelegten bezahlten Jahresurlaubs erkrankt, darf später eine seiner Krankheitsdauer entsprechende Urlaubszeit beanspruchen. In dem Urteil weisen die zuständigen EuGH-Richter darauf hin, dass der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Europäischen Union darstelle und auch ausdrücklich in der Charta der Grundrechte der EU verankert sei. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung regelt unter anderem, dass jedem Arbeitnehmer ein bezahlter Mindestjahresurlaub von vier Wochen zusteht. Die Richter des EuGH betonen den unterschiedlichen Zweck von Krankheits- und Erholungsurlaub. Das Recht auf (spätere) Urlaubsgewährung dürfe nicht davon abhängen, ob Arbeitsunfähigkeit vor oder während des (ursprünglich geplanten) Jahresurlaubs eintritt.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21.06.2012, Aktenzeichen C-78/11

19.06.2012 Betriebsrentenanpassung

Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Belange des Versorgungsempfängers werden durch den Anpassungsbedarf und die sog. reallohnbezogene Obergrenze bestimmt. Ausgangspunkt der Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers ist der Anpassungsbedarf. Dieser richtet sich nach dem seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust. Der so ermittelte Anpassungsbedarf wird durch die Nettolohnentwicklung der aktiven Arbeitnehmer begrenzt (sog. reallohnbezogene Obergrenze). Da die reallohnbezogene Obergrenze ebenso wie der Anpassungsbedarf die Belange der Versorgungsempfänger betrifft, gilt derselbe Prüfungszeitraum. Dieser reicht vom individuellen Rentenbeginn bis zum aktuellen Anpassungsstichtag.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.6.2012, Aktenzeichen 3 AZR 464/11

19.06.2012 Neue Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung

Nach dem Bundesurlaubsgesetz ("BUrlG") muss Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Der Urlaub kann nur auf das folgende Kalenderjahr übertragen werden, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Bei einer Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Die 3-Monats-Frist galt nach dem BAG bisher auch für die Abgeltung des Urlaubs, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden konnte.Vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsprechung gab das BAG seine bisherige Rechtsprechung auf. Nunmehr gilt: Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch unterfällt als reiner Geldanspruch nicht der 3-Monats-Frist des BUrlG.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.06.2012, Aktenzeichen 9 AZR 652/10

13.06.2012 Keine Kündigung bei geringem Arbeitszeitbetrug

Nicht jeder Arbeitszeitbetrug rechtfertigt eine Kündigung. Müssen Arbeitnehmer laut ihrem Arbeitsvertrag ohne weitere Vergütung eine betsimmte Anzahl an Überstunden monatlich ableisten, führt ein geringer Arbeitszeitbetrug nicht unbedingt zu einem Schaden beim Arbeitgeber. Dies gelte, wenn der Beschäftigte sein Überstundenkontingent nicht ausgeschöpft hat. Eine Kündigung sei dann also nicht gerechtfertigt. Damit hatte ein Fertigungsleiter aus Berlin mit seiner Kündigungsschutzklage Erfolg. Der Arbeitgeber hatte ihm vorgeworfen, Arbeitszeitbetrug begangen zu haben. Der Fertigungsleiter soll an vier Tagen im August 2011 das Betriebsgelände für Einkäufe oder zum Frühstücken für insgesamt eine Stunde verlassen haben, ohne sich vorher abzumelden. Das Gericht wertete die daraufhin ausgesprochene Kündigung als unwirksam. Der maximale Schaden betrage einen Stundenlohn in Höhe von 9,81 € brutto. Es könne offenbleiben, ob die Kündigung wegen solch einer geringen Schadenshöhe überhaupt ohne Abmahnung möglich sei. Denn nicht jede Falschangabe in der elektronischen Zeiterfassung rechtfertige eine ordentliche geschweige denn fristlose Kündigung. Hier sei der Arbeitnehmer laut Arbeitsvertrag zur Ableistung von zehn Überstunden pro Monat ohne weitere Vergütung verpflichtet gewesen. Dieses Überstundenkontingent habe der Beschäftigte aber auch mit Einberechnung der Falschangaben nicht aufgebraucht, so dass dem Arbeitgeber kein Schaden entstanden sei. Bei dem vorliegenden Arbeitszeitbetrug handele es sich daher nicht um eine „schwerwiegende Pflichtverletzung“, die eine Kündigung rechtfertige.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.06.2012, Aktenzeichen 15 Sa 407/12

09.06.2012 Entgeltklage nach Equal-Pay-Grundsatz

Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) hat der Entgeltklage einer Leiharbeitnehmerin gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber nach dem Grundsatz des Equal Pay zum überwiegenden Teil stattgegeben. Sie hatte einen Bruttostundenlohn von lediglich sechs Euro erhalten, die Stammarbeiter knapp 13 Euro. Die Arbeitnehmerin war vom 4.5.2009 – 30.6.2010 bei einer Personalleasingagentur beschäftigt und für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses an die beklagte Firma B. ausgeliehen. Nach dem Tarifvertrag der CGZP erhielt die Klägerin einen Bruttostundenlohn von 6,00 Euro bzw. später 6,15 Euro, nach der Übernahme durch die Firma B. erhielt sie wie die anderen dort beschäftigten Stammarbeitnehmer 12,84 Euro. Nachdem das BAG in seiner Entscheidung vom 14.12.2010 (AZ.: 1 ABR 19/10) festgestellt hatte, dass die CGZP keine tariffähige Gewerkschaft ist, hat die Klägerin die Differenz zwischen dem ihr gezahlten und dem vom Entleiherbetrieb gezahlten Entgelt in Höhe von insgesamt 16.285,05 Euro eingeklagt. Das Arbeitsgericht (ArbG) Frankfurt (Oder) hat entschieden, dass der Klägerin nach dem Equal-Pay-Grundsatz aus §§ 9 Ziffer 2 , 10 Abs. 4 AÜG das gleiche Entgelt wie der Stammbelegschaft zusteht. Der Beschluss des BAG wirkt nicht nur für die Zukunft, da sich aus den Satzungen der CGZP von 2005 und 2008, die beide von BAG überprüft wurden, eine Tariffähigkeit nicht ergibt. Die tarifvertraglichen Ausschlussfristen gelten nicht, da diese das gleiche Schicksal erleiden wie der Tarifvertrag und insofern unwirksam sind. Auf die arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen kann der Arbeitgeber sich nicht berufen, da der Anspruch erst mit Entscheidung des BAG fällig geworden ist. Der Klägerin war es nicht zuzumuten, bei unklarer Rechtslage das Kostenrisiko einer Klage zu tragen. Hinsichtlich der ersten 6 Wochen hat das ArbG die Klage abgewiesen, da das von dem Arbeitgeber gezahlte Entgelt höher war als das von der Klägerin zuvor erhaltene Arbeitslosengeld (§ 9 Ziffer 2 AÜG ).

Arbeitsgericht Frankfurt (Oder), Urteil vom 09.06.2012 Aktenzeichen 3 Ca 422/11

30.05.2012 Streit um die Rolex

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat kürzlich entschieden, dass der Arbeitgeber eine im Rahmen eines Wettbewerbs zum Erreichen bestimmter Vertriebszahlen ausgelobte Rolex-Uhr an den klagenden Gebietsverkaufsleiter aushändigen muss. Der Arbeitgeber bezweifelte, dass der Verkaufsleiter die für den Erhalt der Rolex erforderlichen Distributionspunkte erreicht habe, konnte dies jedoch nicht nachweisen. In ihrer Begründung weisen die Richter des LAG Hamm darauf hin, dass der Arbeitgeber das Aufschreiben der Distributionspunkte durch seinen damaligen Mitarbeiter nicht bestreitet. Gleichzeitig gelinge es dem Arbeitgeber nicht, überzeugend darzulegen, dass die Punkte zu Unrecht notiert wurden. Die Voraussetzungen für den Erhalt der Prämie seien daher erfüllt.

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 30.05.2012, Aktenzeichen 5 Sa 638/11

23.05.2012 Abwerben von Mitarbeitern über "Xing"

Wer neue Mitarbeiter über Internetplattformen wie etwa "XING" sucht bzw. sie von einem anderen Konkurrenzunternehmen abwerben will, kann wettbewerbswidrig handeln.Grundsätzlich ist es zwar erlaubt, dass man Mitarbeiter eines anderen Unternehmens abwirbt – auch über entsprechende Businessnetzwerke wie im vorliegenden Fall XING. Nicht jedoch wenn unlautere Begleitumstände hinzukommen. Solche Umstände können dann gegeben sein, wenn man den aktuellen Arbeitgeber dabei schlecht redet, also z.B. herabsetzende Äußerungen über den bisherigen Arbeitgeber trifft. Die Klägerin warf ihrem Mitbewerber vor, er habe versucht, auf Mitarbeiter der Klägerin Einfluss zu nehmen, diese abzuwerben und die Klägerin verächtlich zu machen. Die von dem Beklagten über Xing geführte Korrespondenz mit neuen Mitarbeitern der Klägerin stelle ein firmenschädigendes Verhalten dar. Der Beklagte habe die Mitarbeiter gezielt verunsichern und eine ablehnende Haltung gegenüber der Klägerin herbeiführen wollen. Wann ein Abwerben zulässig ist und worauf zu achten ist, kann jedoch zuverlässig nur im Einzelfall beurteilt werden.

Landgericht Heidelberg, Urteil vom 23.05.2012, Aktenzeichen 1 S 58/11

16.05.2012 Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich zur Darlegungs- und Beweislast bei der Geltendmachung von Überstunden geäußert. Hintergrund der Entscheidung war die Klage eines Kraftfahrers auf Vergütung von insgesamt 978,5 Überstunden. Arbeitsvertraglich vereinbart war eine pauschale Abgeltungsklausel. Die monatliche Arbeitszeit war hingegen nicht vereinbart.Für die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden seien die Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers heranzuziehen, die geschuldete (Normal-)Arbeit verrichtet zu haben. Es reiche somit zum Beweis der Betriebs-notwendigkeit der Überstunden aus, wenn der Arbeitnehmer im konkreten Falle vortrage, an welchem Tage er welche Tour begonnen und beendet habe. Auf diesen Vortrag müsse der Arbeitgeber im Rahmen der gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern.Das BAG wirkt somit einer überzogenen Beweislast des Arbeitnehmers entgegen. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers, substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen in geringerem zeitlichem Umfang gearbeitet haben muss.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2012, Aktenzeichen 5 AZR 347/11

15.05.2012 Versorgungsvertrag aufgrund betrieblicher Übung

Bietet der Arbeitgeber vorbehaltlos über Jahre hinweg seinen Arbeitnehmern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen den Abschluss eines Versorgungsvertrages an, der u.a. eine Versorgung nach beamtenähnlichen Grundsätzen vorsieht, so ist er aufgrund betrieblicher Übung verpflichtet, allen anderen Arbeitnehmern, die die Voraussetzungen erfüllen, den Abschluss eines inhaltsgleichen Versorgungsvertrages anzubieten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2012, Aktenzeichen 3 AZR 128/11

15.05.2012 Mindesturlaubsanspruch bei ruhendem Arbeitserhältnis

Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub entsteht auch während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines vereinbarten unbezahlten Sonderurlaubs. Denn als unabdingbarer gesetzlicher Anspruch ist der Mindesturlaub ausschließlich vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig. Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz ist allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses. Der Vollanspruch entsteht gemäß § 4 BUrlG dann, wenn die sechsmonatige Wartezeit erfüllt ist. Ist dies der Fall, entsteht der gesetzliche Mindesturlaub in einem bestehenden Arbeitsverhältnis in voller Höhe zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres. Die Vereinbarung eines unbezahlten Sonderurlaubs bzw. des Ruhens des Arbeitsverhältnisses ändert daran nichts. Die Parteien legen damit lediglich fest, dass die Rechte aus dem Arbeitsverhältnis während der vereinbarten Ruhensdauer nicht von ihnen geltend gemacht werden können. Daher kann die Ruhensvereinbarung nicht bewirken, dass unabdingbare gesetzliche Ansprüche, deren Entstehen ausschließlich vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängen, nicht entstehen können. Die Ruhensvereinbarung hat allerdings zur Folge, dass währenddessen der Anspruch auf Gewährung des Erholungsurlaubs nicht erfüllt werden kann. Diese Unmöglichkeit kann aber nach der Systematik des Bundesurlaubsgesetzes nicht vor Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums nach § 7 Abs. 3 BUrlG zu einem Untergang des gesetzlichen Urlaubsanspruchs führen, sondern steht nur der Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs entgegen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.05.2012, Aktenzeichen 3 Sa 230/12

04.05.2012 Erwähnung von Elternzeit in Arbeitszeugnis

In der Erwähnung der Elternzeit in einem Arbeitszeugnis liegt keine ungerechtfertigte Benachteiligung, da erhebliche Ausfallzeiten eines Arbeitnehmers im Zeugnis dokumentiert werden dürfen. Dies entspricht dem Grundsatz der Zeugniswahrheit. Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht dürfen erhebliche Ausfallzeiten eines Arbeitnehmers im Zeugnis dokumentiert werden, wenn ansonsten bei Dritten der falsche Eindruck entstehen würde, die Beurteilung des Arbeitnehmers beruhe auf einer der Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses üblicherweise entsprechenden tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung. Dabei kann eine schematische Grenze zwischen wesentlichen Ausfallzeiten und solchen, die im Arbeitszeugnis als unwesentlich keine Erwähnung finden dürfen, nicht gezogen werden. Wobei Dauer sowie zeitliche Lage der Ausfallzeiten zu berücksichtigen sind.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 04.05.2012, Aktenzeichen 4 Sa 114/12

03.05.2012 Urlaubsabgeltungsanspruch für Beamten

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG, der im laufenden Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub von vier Wochen und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Abgeltung nicht gewährten Urlaubs gewährt, auch für Beamtinnen und Beamte im Feuerwehrdienst gilt. Zugleich hat der EuGH festgestellt, dass eine Beschränkung des Übertragungszeitraums für nicht im Urlaubsjahr genommenen Urlaub auf neun Monate nicht mit dem Unionsrecht vereinbar und deshalb unwirksam ist.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 03.05.2012, Aktenzeichen C-337/10

04.04.2012 Zusage abzugeltenden Urlaubs ist bindend

Erklärt der Arbeitgeber in einem Kündigungsschreiben, eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen abzugelten, stellt dies ein deklaratorisches Schuldversprechen dar, das er auch bei einer Falschberechnung nicht anfechten kann. Darum geht es Das beklagte Gebäudereinigungsunternehmen kündigte dem klagenden Angestellten das Arbeitsverhältnis. In dem Kündigungsschreiben teilte der Arbeitgeber mit, dass der Arbeitnehmer eine Urlaubsabgeltung von 43 Tagen erhalte. Die Angabe über die Urlaubsabgeltung erfolgte auf Wunsch des Arbeitnehmers. Später verweigerte der Arbeitgeber die Abgeltung der genannten Urlaubstage mit der Begründung, aufgrund eines Fehlers im Personalabrechnungssystem seien die Urlaubstage falsch berechnet worden. Tatsächlich hätten dem Arbeitnehmer maximal 13 Urlaubstage zugestanden. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgerichts gaben der Klage des Arbeitnehmers auf Zahlung von etwa 9.094 € brutto zur Abgeltung der 43 Urlaubstage statt. Kann der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch in Gestalt von Freizeit wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr nehmen, so ist er abzugelten, § 7 Abs. 4 BUrlG. Erklärt der Arbeitgeber den Abgeltungsanspruch in einem Schulanerkenntnis, so ist dieses grundsätzlich unanfechtbar - selbst wenn es aufgrund technischer Probleme rechnerisch unrichtig ist.Insofern ist es wichtig, darauf zu achten, dass der Urlaub richtig berechnet ist. Für die Ermittlung der Höhe der Urlaubsabgeltung sind die Berechnungsgrundsätze für das Urlaubsentgelt gem. § 11 Abs. 1 BUrlG maßgebend. Ist die Wartezeit von sechs Monaten nach Vertragsbeginn abgelaufen und scheidet der Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte aus, dann hat er einen Anspruch auf Abgeltung des vollen gesetzlichen Jahresurlaubs. Arbeitgeber sollten berücksichtigen, dass keine gesetzliche Pflicht besteht, im Kündigungsschreiben zusätzliche Erklärungen zu Urlaubsansprüchen oder deren Abgeltung abzugeben. Insofern ist es ratsam, nach Möglichkeit auf derartige Erklärungen im Kündigungsschreiben zu verzichten.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 04.04.2012, Aktenzeichen 9 Sa 797/11

02.03.2012 Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen

Die soziale Rechtfertigung einer Änderungskündigung, die darauf gerichtet ist, andere, als die bisher im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Tarifverträge in Bezug zu nehmen, folgt nicht allein aus dem Interesse des Arbeitgebers an einer Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen. Eine Klausel in einem Formulararbeitsvertrag, nach der der Arbeitgeber berechtigt sein soll, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mitarbeiter die im Arbeitsvertrag zunächst in Bezug genommenen Tarifverträge für die Zukunft durch solche zu ersetzen, die von einem anderen für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen werden, ist nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.03.2012, Aktenzeichen 9 Sa 627/11

21.02.2012 Doppelarbeitsverhältnis: Anrechnung von Urlaub

Der Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 BUrlG, wonach der Anspruch auf Urlaub nicht besteht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist, erfasst keine Doppelarbeitsverhältnisse. Steht ein Arbeitnehmer in zwei Arbeitsverhältnissen und kann er die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nebeneinander erfüllen, so wird der in einem Arbeitsverhältnis gewährte Urlaub nicht auf den Urlaubsanspruch im anderen Arbeitsverhältnis angerechnet. Geht ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber ein und kann er die Pflichten aus diesem neuen Arbeitsverhältnis nur erfüllen, weil er nach Ablauf der Kündigungsfrist vom bisherigen Arbeitgeber nicht mehr beschäftigt wird, muss er sich, wenn die Unwirksamkeit der Kündigung später festgestellt wird, den vom neuen Arbeitgeber gewährten Urlaub auf den im gekündigten Arbeitsverhältnis entstandenen Urlaub anrechnen lassen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.02.2012, Aktenzeichen 9 AZR 487/10

17.02.2012 Treuwidrige Änderungskündigung

Es stellt eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn das Risiko von Mindereinnahmen in einzelnen Monaten auf den Arbeitnehmer abgewälzt wird, ohne diesem die Möglichkeit einzuräumen, diese durch Mehreinnahmen in anderen Monaten wieder auszugleichen. Eine vom Arbeitgeber wegen Ablehnung eines solchen Angebots erklärte Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist bei fehlendem Kündigungsschutz nicht gemäß § 242 BGB unwirksam.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.2.2012, Aktenzeichen 6 Sa 2266/11

16.02.2012 Betriebsstilllegung

Die Stilllegung des gesamten Betriebs gehört zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen i. S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung abgeben können. Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen. Eine Betriebsstilllegung und ein Betriebsübergang schließen sich gegenseitig aus. Die Fortführung des Betriebs durch einen Betriebserwerber begründet eine gegen die Stilllegungsabsicht sprechende Vermutung, die der Arbeitgeber dadurch widerlegen kann, dass er substanziiert darlegt, die Veräußerung zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sei weder voraussehbar noch geplant gewesen. Dabei ist es ohne Belang, ob die Betriebsfortführung vor oder nach Ablauf der Kündigungsfrist stattgefunden hat.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2012, Aktenzeichen 8 AZR 693/10

08.02.2012 Fristlose telefonische Eigenkündigung

Die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers ist unter Umständen selbst dann wirksam, wenn er nicht die Schriftform einhält und auch gar kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt. Im zugrunde liegenden Falle erklärte eine Friseurin ihrem Arbeitgeber in einem Telefongespräch mehrfach, sie wolle fristlos kündigen. Die Bitte des Arbeitgebers um Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist einer ordentlichen Kündigung wies sie kategorisch und mit drastischen Worten zurück. Zu einem späteren Zeitpunkt kündigte ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis schriftlich fristlos und vorsorglich auch fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Gegen die fristlose Kündigung des Arbeitgebers reichte die Friseurin Klage ein und beantragte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Frist einer ordentlichen Kündigung bestanden habe. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz bestätigte die für die Arbeitnehmerin ungünstige Entscheidung der Vorinstanz. Im Zeitpunkt der Kündigung durch den Arbeitgeber habe nämlich gar kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden. Schließlich sei, entgegen § 623 BGB, der bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen seit dem Jahr 2000 ausdrücklich die Schriftform vorschreibt, die telefonische Eigenkündigung ausnahmsweise als wirksam anzusehen. Der Frau sei es wegen ihres eigenen Verhaltens verwehrt, sich im Nachhinein auf einen fehlenden Kündigungsgrund (§ 626 BGB) und die mangelnde Schriftform (§ 623) ihrer eigenen Kündigung zu berufen. Sie könne sich nämlich nicht zu ihrem Vorteil auf Rechtsvorschriften berufen, die sie selbst missachtet habe. Es sei hier nicht möglich, der Eigenkündigung im Nachhinein die Wirksamkeit abzusprechen.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.02.2012, Aktenzeichen 8 Sa 318/11

07.02.2012 Datenschutz langzeiterkrankter Arbeitnehmer

Für Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, hat der Arbeitgeber die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) zu prüfen. In diesem Verfahren soll geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Ob der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Einleitung des bEM nachkommt, hat der Betriebsrat zu überwachen. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist nicht von der Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer abhängig. Für die Ausübung seines gesetzlichen Überwachungsrechts muss der Betriebsrat diesen Personenkreis kennen; einer namentlichen Benennung stehen weder datenschutzrechtliche Gründe noch das Unionsrecht entgegen.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.02.2012, Aktenzeichen 1 ABR 46/10

26.01.2012 Mehrfache Verlängerung befristeter Arbeitsverträge

Der Europäische Gerichtshof entschied unlängst, dass die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge auch dann durch einen Vertretungsbedarf gerechtfertigt sein kann, wenn sich dieser Bedarf als wiederkehrend oder sogar ständig erweist. Der Einsatz dieser aufeinanderfolgenden befristeten Verträge kann jedoch gegebenenfalls unter Berücksichtigung ihrer Zahl und Gesamtdauer einer Missbrauchskontrolle unterzogen werden. Das Unionsrecht, welches eine Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner über befristete Arbeitsverträge durchführt, betrachtet unbefristete Arbeitsverträge als die übliche Form der Beschäftigungsverhältnisse. Die Mitgliedstaaten sind daher verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbräuche durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden. Zu diesen Maßnahmen gehört insbesondere die Festlegung „sachlicher Gründe", die die Verlängerung solcher Verträge rechtfertigen können. Nach deutschem Recht stellt die vorübergehende Vertretung eines Arbeitnehmers einen solchen sachlichen Grund dar, beispielsweise im Fall einer Vertretung aufgrund von Mutterschaftsurlaub oder Elternzeit.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.01.2012, Aktenzeichen C-586/10

26.01.2012 Kettenbefristung gerechtfertigt?

Es ist rechtmäßig, wenn mit einem Arbeitnehmer über Jahre hinweg jeweils sachlich begründete befristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden. Ein "Blankoscheck" für Kettenarbeitsverträge ist dies jedoch trotzdem nicht. Mit "sachlichem Grund" sind genau bezeichnete, konkrete Umstände gemeint, die eine bestimmte Tätigkeit kennzeichnen und deshalb den Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge rechtfertigen. Kettenarbeitsverträge sind insofern grunsätzlich gültig, sofern ein Rechtsgrund nach § 14 I TzBfG vorliegt.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.01.2012, Aktenzeichen C-586/10

26.01.2012 Befristung bei Vertretungsbedarf

Die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge kann auch dann durch einen Vertretungsbedarf gerechtfertigt sein, wenn sich dieser Bedarf als wiederkehrend oder sogar ständig erweist. Weder die Anzahl von hintereinander geschalteten Zeitverträgen noch die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses sind ein Grund, um von einem Missbrauch der Vertretungsbefristung auszugehen. Auch ein ständiger Vertretungsbedarf für mehrere Arbeitnehmer in größeren Betrieben macht die Befristung nicht unwirksam. Allerdings müsse bei zunehmender Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses genauer geprüft werden, ob der letzten Befristungsvereinbarung ein nur vorübvergehender vertretungsbedarf zugrunde lag, oder ob der befristet beschäftigte Arbeitnehmer Daueraufgaben ausführt.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.01.2012, Aktenzeichen C-586/10

24.01.2012 Persönlichkeitsrecht ausgeschiedener Arbeitnehmer

Das Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers ist verletzt, wenn ein Arbeitgeber persönliche Daten und Fotos ausgeschiedener Arbeitnehmer weiter auf seiner Homepage präsentiert. Der betroffene Arbeitnehmer kann deren Löschung im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 24.01.2012, Aktenzeichen 19 SaGa 1480/11

19.01.2012 Schadensersatz wegen Mobbing

Es ist kein mobbingtypisches Verhalten gegeben, wenn die Grenze sozial- und rechtsadäquaten Verhaltens in Konfliktsituationen nicht überschritten wird. Ein zum Schadenersatz oder Schnerzensgeld verpflichtendes Verhalten liegt insbesondere dann vor, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehemrs verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Bei der Prüfung von Ersatzansprüchen ist zu berücksichtigen, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, aber sozial- und rechtsadäquat sind, nicht geeignet sind, diese Voraussetzungen zu erfüllen.

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 19.01.2012, Aktenzeichen 11 Sa 722/10

18.01.2012 Weihnachtsgratifikation

Das Bundesarbeitsgericht hat entscheiden, dass der Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt abhängig gemacht werden kann. Es kommt nicht darauf an, wer das Arbeitsverhältnis gekündigt hat. Ob die Zahlung einer Sonderzuwendung unter die Bedingung des ungekündigten Bestehens des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt gestellt werden kann, ist abhängig von dem mit der Zuwendung verfolgten Zweck. Knüpft die Zahlung nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an, ist eine entsprechende Klausel mit der gesetzlichen Grundkonzeption des § 611 BGB zu vereinbaren und hält einer Inhaltskontrolle stand. Voraussetzung ist allerdings, dass nicht die Vergütung von Arbeitsleistungen bezweckt ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.01.2012, Aktenzeichen 10 AZR 667/10.

13.01.2012 Kündigung wegen HIV-Infektion

Der Arbeitnehmer wurde von einem Pharmaunternehmen als chemisch-technischer Assistent beschäftigt und bei der Herstellung von Medikamenten im „Reinbereich" eingesetzt. Der Arbeitgeber hatte für diesen Fertigungsbereich allgemein festgelegt, dass Arbeitnehmer mit Erkrankungen jedweder Art - insbesondere auch Arbeitnehmer mit HIV-Infektion - nicht beschäftigt werden dürfen. Er kündigte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist während der Probezeit, nachdem er von der HIV-Infektion des Arbeitnehmers erfahren hatte. Das Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg hat die Kündigung eines Arbeitnehmers mit HIV-Infektion, die während der Probezeit ausgesprochen wurde, für wirksam gehalten und auch die Klage auf Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) abgewiesen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.01.2012, Aktenzeichen 6 Sa 2159/11

11.01.2012 Schadenersatz wegen unrichtiger Auskunft

Der Arbeitgeber haftet dem Arbeitnehmer bei unrichtiger Betriebsrentenauskunft grundsätzlich nur für den entstandenen Vertrauensschaden (sog. negatives Interesse). Hätte sich der Arbeitnehmer auch bei zutreffender Betriebsrentenauskunft für einen vorzeitigen Rentenbeginn entschieden, kann kein Schadenersatz wegen entgangener Vergütung und Rentenabschlägen beansprucht werden.

Arbeitsgericht Lörrach, Urteil vom 11.01.2012, Aktenzeichen 5 Ca 115/11

10.01.2012 Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung

Vor einer Kündigung wegen Diebstahls oder des Verdachts eines Diebstahls muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht nur die von ihm festgestellten Fakten mitteilen, sondern auch den Verlauf des Arbeitsverhältnisses und seine Interessenabwägung. . Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat also auch über Abmahnungen, Ermahnungen usw. informieren und schildern, welche Gesichtspunkte er vor seinem Kündigungsentschluss wie gegeneinander abgewogen habe.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.01.2012, Aktenzeichen 2 Sa 305/11